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Der Fliegenfaenger

Der Fliegenfaenger

Titel: Der Fliegenfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Russell
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Abreise.«
    Ich konnte es nicht ertragen! Ich konnte es einfach nicht ertragen, dass meine Mam so verzweifelt war. Ich weiß, ich hätte es nicht tun sollen, ich hätte Malcolm einfach nach Baton Rouge zurückschicken sollen. Ich hätte einfach am nächsten Tag zur Schule gehen sollen, wie ich es mir fest vorgenommen hatte. Aber jetzt musste ich nachdenken und dazu kam ich nicht, wenn ich mir den ganzen Tag von irgendwelchen Spanswicks und Tucknotts und Golightlys anhören musste, dass ich ein fettes, schwules, HIV-infiziertes Arschloch sei. Und deshalb ging ich wieder in die Stadt, aber ich klaute nichts. Ich lief den ganzen Tag rum und hielt es kaum aus, bis es endlich vier Uhr nachmittags wurde und ich meiner Mam daheim erzählen konnte, dass sich die Beach Boys aufgrund künstlerischer Differenzen überraschend getrennt hätten und deshalb keinen Bassisten mehr bräuchten.
    Meine Mam traute ihren Ohren nicht, als ich hereingestürzt kam und verkündete, Malcolm müsste jetzt doch nicht nach Amerika zurück. Sie sprang auf und umarmte mich und ich entschuldigte mich, dass ich behauptet hatte, Malcolm würde tricksen und Kraftausdrücke benutzen, ich sei eben selber so durcheinander gewesen, dass mein Freund nach Amerika zurück musste. Da drückte mich meine Mam noch inniger an sich und es war wunderschön. Und auch sie entschuldigte sich und sagte, sie hätte mich nicht so anschreien sollen. Dann sagte sie, das sei ja wundervoll, das seien ja ganz wundervolle Neuigkeiten! Und es war wirklich wundervoll, als meine Mam mich an jenem Abend in die Arme schloss. Es störte mich nicht mehr, dass wir in einer hässlichen Maisonettewohnung in Wythenshawe lebten. Es störte mich nicht mal mehr, dass ich ein dicker Ladendieb ohne Freunde war, der schon seit einer Ewigkeit die Schule schwänzte. Nichts von alldem störte mich mehr, weil Malcolm dablieb und meine Mam glücklich war. Und deshalb war es mir völlig egal, dass Malcolm gar nicht existierte. Was machte das schon? Meine Oma sagte ja auch immer, Gott existiere nicht. Und trotzdem gab es auf der ganzen Welt Trillionen von Menschen, die sich an den Glauben klammerten, dass es ihn gab. Wer weiß, vielleicht brauchte meine Mam den Glauben an Malcolm? Ich tat ja nichts Böses. Es wurde nur ein bisschen kompliziert, als meine Mam später am Abend plötzlich sagte: »Hör mal, Raymond, ich weiß ja, dass sie jetzt doch nicht nach Amerika zurück müssen, aber wär es nicht trotzdem nett, wenn Malcolm und sein Dad mal zum Abendessen kämen?« Sie sah total glücklich und erwartungsvoll aus. Und während ich verzweifelt nach einer Ausrede suchte, wurde ihr Gesicht plötzlich sehr nachdenklich. »Malcolms Dad muss ja ziemlich einsam sein«, sagte sie. »Was er wohl für ein Mensch ist? Ob er auch so blondes Haar hat wie Malcolm?«
    Und es war dieser ganz bestimmte Ausdruck in den Augen meiner Mam, dieser sehnsüchtige Blick, der mich stutzig machte. Ich runzelte die Stirn. Als sie es bemerkte, lachte sie fast ein bisschen verlegen und fragte: »Was ist denn? Was hast du?« Aber ich schüttelte nur den Kopf und da brach meine Mam in Gelächter aus und sagte: »Was ist denn los? Ich hab doch nur gesagt, dass ich ihn kennen lernen möchte!«
    Aber ich wusste es besser. Und meine Mam wusste, dass ich es wusste. Denn plötzlich packte sie mich, kitzelte mich und rief: »Ich lade ihn doch nur zum Abendessen ein, du Dummerchen! Ich will ihn doch nicht heiraten!«
    Nachdem sie mit Kitzeln fertig war, saß sie neben mir auf der Couch und starrte an die Wand. Und ich sah, dass sie weit, weit weg war. Und obwohl sie es vorhin abgestritten hatte, wusste ich, dass meine Mam gerade davon träumte, einen blonden Bassisten aus Baton Rouge zu heiraten. Und wenn er real gewesen wär, hätte ich das ganz schrecklich gefunden. Aber da Malcolms Vater ja nur meiner Phantasie entsprungen war, störte es mich kein bisschen, dass meine Mam von einem erfundenen blonden Bassisten schwärmte.
    Aber dass die beiden zum Abendessen kamen, war natürlich unmöglich!
    Und so erklärte ich meiner Mam, dass Malcolm und sein Dad strenggläubige Muslime seien und es gegen ihre religiösen Vorschriften verstoße, in einem nichtmuslimischen Haus zu essen. Meine Mam zog ein Gesicht und sagte, das sei aber schade. Aber dann hellte sich ihre Miene wieder auf, und sie meinte, auch wenn uns vielleicht manches seltsam vorkomme, müssten wir die Religion anderer Menschen doch respektieren. Wir hätten auch so schon

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