Der Fliegenfaenger
was du hier verloren hast, verdammt noch mal! Dass du es überhaupt wagst, dich hier noch mal blicken zu lassen, nach allem, was du getan hast!«
»Hey! Gar nichts hat er getan!«, erklärte meine Oma. Sie zeigte mit spitzem Finger auf Onkel Jasons Nase und fuhr fort: »Er hat niemandem etwas getan. Also lass ihn gefälligst in Ruhe! Das hier ist mein Haus und Raymond ist mir Tag und Nacht willkommen!«
Meine Oma starrte meinen Obskuren Onkel böse an, und falls er noch irgendwas sagen wollte, blieb ihm das Wort im Halse stecken, denn der böse Blick meiner Oma war legendär; ein böser Blick von ihr hatte schon ganz andere Männer als meinen Onkel »Grapefruit« Jason zum Schweigen gebracht. Er stand da, kaute auf seinem Kaugummi rum und sah zu meiner Tante Fay hinüber, die mich anstarrte wie den Inhalt eines Papiertaschentuchs, in das sie sich gerade geschnäuzt hatte. Meine Oma ignorierte sie beide, nahm lächelnd meine Hand und hielt sie ganz fest.
»Was meinst du dazu, mein Junge?«, fragte sie dann. »Was meinst du zu diesem ganzen Theater um meine Satellitenschüssel?«
»Ich weiß nicht, Oma«, antwortete ich.
»Ich würde aber gern deine Meinung hören«, sagte sie, »denn ehrlich gesagt, frage ich mich langsam, ob sich der ganze Ärger überhaupt lohnt. Vielleicht sollte ich in meinem Alter die technologische Revolution und all die neuen Medien nicht mehr so wichtig nehmen.«
Ich sah aus den Augenwinkeln, wie sich Tante Fay und Onkel Jason einen hoffnungsvollen, triumphierenden Blick zuwarfen. Ich konnte es kaum fassen, dass meine Oma ernsthaft überlegte, ob sie den beiden nachgeben sollte!
Wieder zuckte ich die Achseln und Tante Fay drängte: »Sag’s ihr, Raymond. Sag ihr, wie viel Strom das frisst, wenn man so viele Kanäle hat! Das ist nicht so, wie wenn man sich nur die BBC anschaut. Die BBC kostet so gut wie keinen Strom, weil sie ja nur aus London kommt. Aber wenn man Kanäle hat, die aus dem Ausland rüberkommen, dann kostet das ein Vermögen an Strom! Und meine allergrößte Sorge ist eine Unterkühlung! Man kennt das doch von alten Leuten. Jeder Kälteeinbruch kann ihr Ende bedeuten. Deine Oma könnte eines Tages erfroren vor dem Fernseher sitzen, weil der ganze Strom von den Satellitenkanälen aufgefressen wurde und nichts mehr für die Heizung übrig geblieben ist!«
Meine Tante nickte bedeutsam und meine Oma sagte seufzend: »Tja, das will ich natürlich nicht. Ich will hier nicht wie eine tiefgekühlte Lammkeule vor dem Fernseher hocken.«
Was war denn mit meiner Oma los? Wieso hörte sie sich das dumme Gewäsch meiner Tante überhaupt an?
»Oma, du müsstest nicht dasitzen wie eine tiefgekühlte Lammkeule«, sagte ich. »Satellitenfernsehen verbraucht überhaupt keinen zusätzlichen Strom.«
Diese Bemerkung ging meinem Onkel Jason total gegen den Strich. »Hey!«, warf er ein, »was verstehst du denn davon? Du hast doch keine Ahnung, also halt dich da raus!«
Aber ich ignorierte ihn und fuhr fort: »Und noch was, Oma. Wie willst du denn weiter Spanisch lernen, wenn du dir die Neun-Uhr-Nachrichten wieder in Englisch anschauen musst?«
Und ich dachte, das würde sie überzeugen, denn wenn sich meine Oma etwas im Satellitenfernsehen anschaute, dann waren es die spanischen Nachrichten. ITV hatte sie nie interessiert, und die BBC, sagte sie, sei heutzutage viel zu oberflächlich, wo denn der Tiefgang geblieben sei? Aber dann hatte sie die spanischen Nachrichten entdeckt und sie kam voll auf ihre Kosten; denn der spanische Nachrichtensprecher war eine eindrucksvoll ernste Erscheinung mit markant-morbiden Gesichtszügen und trug die abendliche Litanei von Tragödien, Tod und Katastrophen so vor, als sei ihm alles persönlich zugestoßen. Meine Oma sagte immer, er gebe ihr den Glauben an die Fernsehnachrichten zurück und sporne sie gleichzeitig dazu an, etwas Spanisch zu lernen. Und ich fand es toll, dass meine Oma Spanisch zu lernen versuchte, wenn sie auch nie über Buenas noches senor hinauskam.
Aber mein Obskurer Onkel sagte: »Spanisch! Spanisch lernen! Ich hör wohl nicht recht!« Dann sah er kurz zu seiner grässlichen Gattin hinüber und fügte kopfschüttelnd hinzu: »Manchmal frage ich mich, wie ich mich mit so einer Mutter geistig normal entwickeln konnte!«
Ich schaute meine Oma an, weil ich erwartete, dass sie ihm wieder ihren bösen Blick zuwerfen würde. Aber anscheinend hatte sie ihm gar nicht zugehört. Sie hielt immer noch meine Hand umklammert und lächelte mich
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