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Der Fliegenfaenger

Der Fliegenfaenger

Titel: Der Fliegenfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Russell
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Wahl hast, mit einer leblosen Kiste oder mit einem Menschen zu interagieren, würdest du dich für den Fernseher entscheiden. Ist das richtig?«
    Ich nickte.
    »Und … hast du eine Ahnung, warum?«, fragte er.
    »Ja«, antwortete ich, »weil Fernsehen nicht langweilig ist.«
    Er sah mich an. »Aber mich «, sagte er, »einen Mitmenschen, findest du langweilig?«
    »Extrem«, sagte ich.
    Er nickte. »Hm, das ist interessant, Raymond«, sagte er, »weil du mich ja gerade erst kennen gelernt hast, wogegen mich sehr viele Menschen, die mich schon wesentlich länger kennen, alles andere als langweilig finden!«
    »Prima«, sagte ich. »Dann reden Sie doch mit denen und ich schau mir inzwischen die Blockbusters an.«
    Aber er klappte nur seinen Block auf und begann sich Notizen zu machen. Während er vor sich hin kritzelte, fragte ich: »Könnten wir jetzt vielleicht wieder den Fernseher anmachen?«
    Doch er ignorierte mich einfach und fragte: »So! Wollen wir jetzt mal über deine Feindseligkeit reden, Raymond?«
    Jetzt ignorierte ich ihn auch. Ich wusste nicht mal, wovon er sprach. Ich saß nur da und starrte auf den dunklen Fernseher.
    »So, Raymond«, drängte er.
    Ich sah ihn an. »Nennt man Sie deshalb So zialbetreuer?«, fragte ich.
    »Wie meinst du das?«, fragte er verblüfft.
    »So« , sagte ich. »So, so, so. Das sagen Sie die ganze Zeit!«
    Er starrte mich an. Dann meinte er: »Passiert das öfter, Raymond?«
    »Was denn?«, erwiderte ich.
    »Dass dir die Wörter durcheinander geraten«, sagte er, »dass du sie in einen anderen Zusammenhang bringst.«
    »Sie sind mir nicht durcheinander geraten! Ich hab überhaupt nichts in einen anderen Zusammenhang gebracht«, sagte ich. »Sie sagen es doch andauernd! So, Raymond. So, wollen wir das mal genauer untersuchen? So, wollen wir vielleicht mal darüber reden? So, so, so! Deshalb sind Sie der So zialbetreuer.«
    Er wirkte etwas verärgert.
    Aber ich zuckte nur die Achseln. »So! Schalten wir jetzt den Fernseher wieder an?«
    Er ignorierte mich erneut. Dann blätterte er in seinem Ordner und sagte: »Du hast mit Mr. Wilson gesprochen, nicht wahr?«
    »Ja«, antwortete ich, »der Mutant.«
    »Wie bitte?«, fragte er.
    »Der Mutant!«, wiederholte ich. »Wilson der Mutant!«
    Er runzelte die Stirn. »Warum nennst du ihn so?«
    Ich zuckte die Achseln. »Weil er es gesagt hat. Er hat irgendwas von Mutant gesagt.«
    Der So zialbetreuer runzelte wieder die Stirn. »Willst du damit sagen«, fragte er, »dass Mr. Wilson behauptet hat, er sei ein … Mutant ?«
    Ich nickte. »Genau«, sagte ich. »Ein Mutant! Und sie drohen, die Weltherrschaft zu erringen, die Mutanten. Passen Sie nur auf. Aber wahrscheinlich wissen Sie das schon.«
    Der So zialbetreuer starrte mich an. Dann schaute er wieder in seinen Ordner und sagte: »Als du noch kleiner warst, da hat dich deine Mam doch mal zu einem Arzt gebracht, einem ganz speziellen Arzt, nicht wahr?«
    Ich nickte. »Stimmt«, sagte ich. »Zum Analpsychotiker.«
    Er sah mich mit zusammengekniffenen Augen an. Dann sagte er: »Sag das noch mal.«
    »Zum Analpsychotiker«, wiederholte ich.
    Er starrte mich immer noch an.
    »Was ist denn los?«, fragte ich.
    Er fragte: »Hast du das schon immer gemacht?«
    »Was denn?«, erwiderte ich.
    »Wörter verdrehen«, sagte er, »und neu zusammensetzen.«
    Ich zuckte die Achseln. »Das passiert eben manchmal«, sagte ich. »Wie mit der Hexe, die dauernd irgendwas schwören muss, zum Beispiel, dass sie die Kinder umbringt.«
    Er saß stirnrunzelnd da und wirkte verwirrt.
    »Die böse Hexe, die einen Eid geschworen hat, dass sie die Kinder umbringt!«, wiederholte ich. »Wenn man lesen lernt, muss man doch überlegen, aus welchen Wörtern sich ein Wort zusammensetzt. Und das war das erste zusammengesetzte Wort, das ich laut vorlesen musste. Ich musste es dem Lehrer erklären. Und als ich es erklärte, hatte ich fürchterliche Angst, weil ich dachte, Peter und Jane würden vielleicht von der bösen Hexe gefangen und getötet, und dann würden wir das Märchen nie mehr lesen können.«
    Der So zialbetreuer starrte mich verständnislos an.
    Also fuhr ich fort: »Aber dann ging es doch gut aus, weil die Eid-Hexe gar keinen Eid geschworen hatte, die Kinder umzubringen. Es hatte also nie Gefahr bestanden, dass Peter und Jane von der bösen Eid-Hexe gefangen wurden. Und kaum hatte ich mich dran gewöhnt, die zwei Teile zu einem Wort zusammenzufassen, da war es ein Tier, das seinen Schwanz abstoßen

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