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Der Fliegenfaenger

Der Fliegenfaenger

Titel: Der Fliegenfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Russell
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hinaus.
    Es war schrecklich. Ich hatte mich so gefreut, als ich sah, dass es meine Oma war, die ihren Luftballon zerstochen hatte. Vielleicht hieß das ja, dass meine Oma sich wieder daran erinnerte, wer sie wirklich war. Aber andererseits hatte sie direkt vor mir gestanden und mich nicht erkannt. Und jetzt schlurfte sie durch den Korridor und die Pflegerin lief hinterher und sagte: »Vera Madeira! Also, ich weiß wirklich nicht, was heute in Sie gefahren ist, Vera!«
    Wir drei standen im Korridor und sahen meiner Oma nach.
    Und Norman sagte: »Scheiße, Fliege! Ich will nie alt werden, hey!«
    Ich nickte. Mir ging es schrecklich schlecht wegen meiner Oma. Und wegen meiner Freunde. Ich hatte mir doch so gewünscht, dass sie meine Oma kennen lernen würden, meine richtige Oma! Nicht diese Person, die sich so sehr verändert hatte, die mich gar nicht mehr erkannte.
    Wir gingen den Korridor zurück, auf die Ausgang -Schilder zu. Und da dämmerte es mir – als ich drüber nachdachte, wie stark sich meine Oma in dieser kurzen Zeit verändert hatte! Mir wurde plötzlich klar, dass sich ja nicht nur meine Oma verändert hatte! Vielleicht lag es ja gar nicht an ihrem Geisteszustand, dass sie mich nicht erkannt hatte.
    »Los, kommt!«, rief ich Norman und Twink zu und rannte den Korridor entlang. Und als ich um die Ecke bog, wollten meine Oma und die Pflegerin gerade in ein Zimmer.
    »Oma!«, rief ich. »Oma!« Sie drehte sich um und sah mir entgegen. »Oma!«, sagte ich lächelnd. »Ich bin’s! Ich bin’s, Raymond!«
    Zuerst runzelte sie die Stirn. Aber dann blitzte er in ihren Augen auf, der Funke des Wiedererkennens. Und dann verzog sich ihr Gesicht in tausend Falten und sie begann zu weinen. Aber gleichzeitig streckte sie die Arme nach mir aus, zog mich an sich und sagte: »Ach Junge … ach Junge … Raymond … was ist denn los? Was ist denn mit dir passiert?«
    »Oma! Oma!«, sagte ich. »Es ist alles okay! Nichts ist mit mir passiert, Oma! Ich bin nur wieder dünn geworden, das ist alles. Deshalb hast du mich vorhin nicht erkannt, weil ich so stark abgenommen hab, schau mal!«
    Ich trat einen Schritt zurück und ließ mich von meiner Oma betrachten.
    »Schau mich an!«, sagte ich. »Ich bin es wirklich! Ich bin einfach wieder schlank geworden, so wie früher, das ist alles.«
    Meine Oma starrte mich unverwandt an. Und dann fragte die Pflegerin, die ein wenig misstrauisch dabeigestanden hatte: »Kennen Sie ihn, Vera? Kennen Sie diesen jungen Mann?«
    Meine Oma wandte langsam den Kopf und starrte sie böse an. »Fragen Sie nicht so blöd!«, sagte meine Oma. »Ob ich ihn kenne? Natürlich kenn ich ihn!«
    Die Pflegerin schüttelte den Kopf und warf meiner Oma einen beleidigten Blick zu. Dann sagte sie zu mir: »Nun ja, dann überlass ich sie euch. Viel Spaß.« Und im Weggehen fügte sie hinzu: »Also, ich weiß wirklich nicht, was heute in Sie gefahren ist, Vera. Das sind doch gar nicht Sie!«
    Aber da täuschte sich die Pflegerin. Genau das war meine Oma, wie sie leibte und lebte! Sie sah der Pflegerin nach und brummte: »Ja, verpiss dich! Wackel mit deinen blöden Luftballons und lass mich bei meinem wunderbaren Enkel!«
    »Oma«, sagte ich. »Ich hab dir ein paar Kekse mitgebracht!«
    »Ach!«, rief meine Oma, als ich sie ihr gab. »Garibaldis! Das ist genau das Richtige, mein Junge! Ich sehne mich nach einem Keks, der ein bisschen Charakter hat. Die Kekse, die man hier kriegt«, meinte sie, »sind doch nur aufgeblähte kleine Dinger ohne Rückgrat und Biss!«
    Und da wusste ich defintiv, dass meine Oma wieder meine Oma war. Ich stand da und lächelte sie an. Aber dann fielen mir Norman und Twinky ein, die ein paar Meter entfernt warteten.
    »Schau mal, Oma«, sagte ich, »ich hab dir meine Freunde mitgebracht!«
    Meine Oma spähte den Gang entlang, wo Twinky und Norman standen. »So, so«, sagte sie blinzelnd, »wer ist denn das?«
    »Das sind Twinky und Norman, Oma«, erklärte ich ihr. »Twinky und Norman haben mir geholfen, wieder schlank zu werden.«
    Meine Oma starrte sie einen Moment an. Dann kniff sie die Augen zusammen und sagte zu Twinky: »Dich kenne ich doch, nicht wahr?«
    Twinky nickte und meine Oma fuhr fort: »Natürlich! Bist du nicht der kleine homosexuelle Junge, der so wunderbar die Jungfrau Maria gespielt hat?«
    Twinky nickte erneut. Und dann glitt ein strahlendes Lächeln über sein Gesicht, als er sagte: »Ja. Und sind Sie nicht die böse alte Hexe aus Failsworth, die mir so wahnsinnige

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