Der Fliegenfaenger
ihm zugeredet, dass es ein Verbrechen wär, mit so einer Stimme nicht aufzutreten. Aber er runzelte bloß die Stirn und sagte: ›Also ich weiß nicht. Ich weiß nicht recht.‹«
»Du bist ein Sänger«, sagten wir, »ein Sänger, kein Gitarrist.«
»Aber irgendwie wollte ihm das nicht in den Kopf und er fragte: ›Heißt das … heißt das, ich kann mit euch singen … aber ich muss die Gitarre aufgeben?‹ Und der Blick, mit dem er sein Instrument anschaute, brach mir fast das Herz.«
»Aber da hatte ich eine Idee«, sagte Slim, »als ich sah, dass er die Guild anschaute, als sei sie sein Lieblingshund, der gleich eingeschläfert werden soll, kam mir eine Idee. Ich wusste zwar nicht, wie er es aufnehmen würde, aber ich sagte: ›Hör mal, wie wär’s mit einem Kompromiss? Du … du trittst bei uns als Sänger auf … und nimmst deine Gitarre mit auf die Bühne … aber … aber du … stöpselst sie nicht ein!‹ Na ja, zuerst runzelte er sehr, sehr skeptisch die Stirn. Und ich dachte schon, ich hätte alles vermasselt. Aber dann sagte er: ›Auf die Bühne? Ich darf die Gitarre mit auf die Bühne nehmen?‹ Wir nickten. ›Aber ich bin nicht eingestöpselt?‹ Wir nickten erneut, diesmal etwas vorsichtiger. Und dann warteten wir und beobachteten ihn; und er stand eine Ewigkeit da, ging mit sich selbst zurate und rang um eine Entscheidung. Und als er endlich aufsah, meinte er: ›Tja, wahrscheinlich muss man irgendwann im Leben mal etwas realistisch sein, wie?‹
Wir trauten uns kein Wort zu sagen. Wir standen nur da, starrten ihn an und drückten die Daumen. Dann nickte er und sagte vor sich hin: ›Ich wollte nie Sänger sein. Hab mich immer für einen Musiker gehalten. Hab immer gedacht, ich singe mit den Fingern. Ich hätte nie dran gedacht, mit meiner Stimme zu singen.‹ Dann sah er mich an und sagte noch einmal: ›Aber ich darf die Gitarre mit auf die Bühne nehmen?‹
Und wieder nickten wir alle heftig.
Da meinte er: ›Na ja, vielleicht ist es am besten so. Wie gesagt, manchmal muss man einfach realistisch sein, nicht wahr?‹ Und er lächelte uns alle an und sagte: ›Na gut. Ich nehm euer Angebot, ein Dewsbury Desperado zu werden, gern an.‹«
Sowerby Slim seufzte. Und Deak und Cindy-Charlene seufzten ebenfalls. Und plötzlich wurde die Stimmung im Van wieder ganz melancholisch.
»Was ist denn los?«, fragte ich. »Ihr wolltet doch alle, dass er mitmacht.«
Cindy-Charlene seufzte von Neuem. »Klar«, sagte sie.
»Warum seid ihr dann plötzlich wieder so traurig und deprimiert?«, fragte ich.
Cindy-Charlene wandte den Kopf und starrte aus dem Fenster. Und Sowerby Slim sagte zu mir: »Kümmere dich nicht um Cindy-Charlene, Junge. Es ist eine quälende Erinnerung für sie; für uns alle.«
»Aber wieso denn?«, fragte ich. »Wieso denn quälend? Das war doch toll, dass ihr den Cowboy zum Singen gebracht habt. Welchen Sinn hätte es denn gehabt, wenn er ewig so getan hätte, als wär er ein richtiger Gitarrist, wo er doch keiner war? Und dabei hatte er ja die ganze Zeit ein Instrument, auf dem er wirklich spielen konnte, ein Instrument, das er hervorragend beherrschte …«
Ich brach ab, weil ich merkte, wie meine Stimme kippte und mir die Tränen in die Augen stiegen. Also zwinkerte ich und schwieg. Aber Sowerby Slim meinte: »Hey, immer mit der Ruhe. Du brauchst dich doch nicht aufzuregen, Junge.«
Ich nickte und sagte: »Tut mir Leid, ich … es … ich bin …« Aber ich brachte es nicht raus, weil mir alles Mögliche durch den Kopf schoss. Und ich wusste nicht, ob ich’s ihnen sagen sollte. Aber dann drehte sich Cindy-Charlene wieder um und sagte zu mir: »Es ist deshalb für uns alle quälend, weil wir uns schuldig fühlen!«
»Aber wieso denn?«, fragte ich wieder. »Warum fühlt ihr euch schuldig, wo ihr dem Cowboy doch die Augen geöffnet habt? Ihm gezeigt habt, dass er ein guter Sänger ist? Hat ihn das denn nicht glücklich gemacht? Hat es ihn nicht glücklich gemacht, ein guter Sänger zu sein?«
Sowerby Slim nickte und sagte: »O doch, er war glücklich. Solange er seine Gitarre mit auf die Bühne nehmen konnte, sang er die ganze Nacht. Es waren ein paar wundervolle Jahre mit dem Cowboy.«
Ich sah Cindy-Charlene an und sagte: »Also, warum sollte sich dann irgendjemand schuldig fühlen?«
Und Cindy-Charlene sagte: »Weil … weil wenn wir ihn nicht zu den Desperadoes geholt hätten, dann wär er ihr nie begegnet. Dann hätte er sich nie mit ihr eingelassen.«
»Mit wem
Weitere Kostenlose Bücher