Der Fliegenfaenger
tranceartigem Zustand befand, ließ sich lammfromm aus der Garderobe in den stillen Hafen des Trophäenraums führen, wo ihn dann sein treu ergebener Bassist abzulenken versuchte, indem er ihm die verschiedenen Artefakte, Trophäen und Erinnerungsstücke zeigte, die dort schimmernd und glänzend in den Vitrinen lagen. Sowerby Slim lauschte mit halbem Ohr auf die ersten Takte, die bezeugen würden, dass die Hoboes und ihr Steelgitarrist endlich auf der Bühne waren, und schlenderte mit dem Cowboy von einem Exponat zum nächsten; dabei machte er möglichst kompetente Kommentare über die Zeichenfedern der Architekten, deren kunstvolle Schöpfungen man noch heute in Plinxton und Umgebung bewundern könne, lange nachdem die Erbauer gestorben waren; und über die glänzenden Hackbeile und scharfen Messer, die in den flinken Händen stiernackiger Metzger zahllose Herzen herausgeschnitten, Fleisch vom Knochen geschabt hatten und das mit so viel Schwung und Geschick, wie man es beim heutigen Metzgerhandwerk (das diesen Namen oft gar nicht mehr verdiene) so häufig vermisse. Und gerade als Slim nichts mehr einfiel, was er noch zum Großen Goldenen Filetiermesser sagen könnte, das die Metzger von Plinxton im erbittert ausgetragenen Schweinefiletierwettbewerb von 1963 den Metzgern von Burnley zum dritten und letzten Mal weggeschnappt hatten, hörte Sowerby Slim die ersten Takte von ›Orange Blossom Special‹ – und da wusste er, dass die Hebden Bridge Hoboes jetzt endlich auf der Bühne standen. Sowerby Slim ging voraus, auf die großen Eichentüren des Trophäenraums zu, und sagte zum Cowboy: ›Jetzt können wir wieder in die Garderobe gehen, Cowboy.‹
Aber an der Tür sagte der Kexborough Cowboy plötzlich: ›Ich will nicht in die Garderobe, vielen Dank, Slim; ich möcht gern an die Bar und mir ein Bier bestellen.‹
Da pflanzte sich Sowerby Slim vor dem Cowboy auf, legte den Kopf schief und sagte skeptisch: ›Hör mal, Cowboy; du weißt doch, wer da draußen ist. Erspar dir das lieber!‹
Doch freundlich wie stets bedankte sich der Cowboy bei dem bulligen Bassisten für seine Anteilnahme und sagte: ›Slim, ein gebrochenes Herz bricht man nicht noch einmal.‹
Und Sowerby Slim, der über diesen tiefsinnigen Satz erst mal nachdenken musste und gleich überlegte, ob das nicht ein guter Titel für einen neuen Countrysong wär, trat einfach beiseite; und der Kexborough Cowboy ging an ihm vorbei zur Bar und bestellte ein Bier. Und während es gezapft wurde, sah er an der Bar entlang und entdeckte seine eigene Frau. Sie lehnte mit dem Rücken am Tresen, schlug mit einem ihrer hochhackigen Sling-Pumps den Takt zur Musik und umschloss mit rot lackierten Fingern ein hohes, schmales Glas, das einen Cocktail namens Do-It-Till-Dawn enthielt. Der Cowboy trank einen Schluck Bier, drehte einen Moment seinen Krug zwischen den Händen und sagte dann mit starrem Blick auf den cremigen Schaum: ›Du fehlst mir, Patsy. Mir und dem Hund. Du fehlst uns.‹
Da drehte das Flittchen den Kopf und schaute den Cowboy an, während sie weiter ihren Kaugummi kaute. Und als der Cowboy jetzt den Blick vom Bierglas hob und sie ansah, brach diese hartherzige Schlampe in schrilles Gelächter aus; dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder der Bühne zu, wo ihr neuer, aufregender Lover, der sich des prächtigsten Pferdeschwanzes in der ganzen britischen Countryszene rühmte, gerade die ersten Takte von ›One More Tequila Sheila And We’ll Make The Border Tonight‹ spielte.
Der Cowboy rückte an der Bar entlang ein bisschen näher zu seiner Frau und sagte: ›Es hat mir das Herz gebrochen, Patsy. Und kein Leim der Welt kann es wieder zusammenkleben. Mein Herz ist in Stücke zersprungen, Patsy. Und dem Hund geht’s genauso. Es hat uns beiden das Herz gebrochen, Duke und mir, dass du nicht mehr bei uns bist, Patsy.‹
Aber die gnadenlose Patsy ignorierte ihn und starrte wieder lüstern auf ihren Steelgitarristen, der beim Spielen immer wieder zur Bar hinsah.
›Ich weiß ja, dass du wegen mir nie zurückkommen würdest‹, redete der Cowboy weiter auf sein Flittchen von Ehefrau ein. ›Aber was ist mit dem Hund, Patsy? Der Hund hat dir doch nichts getan, Patsy. Könntest du nicht wenigstens dem Hund zuliebe zurückkommen?‹
Der Steelgitarrist starrte finster von der Bühne herab und verpatzte den Einsatz für sein Solo.
›Nicht meinetwegen, Patsy‹, sagte der Cowboy jetzt zu seiner Frau, ›nur dem Hund zuliebe. Weißt du, der Hund frisst
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