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Der Fliegenfaenger

Der Fliegenfaenger

Titel: Der Fliegenfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Russell
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scharfe Klinge!«
    »Ich hab gesehen, wie dir das Blut aus dem Gesicht wich«, erinnerte sich Cindy-Charlene, »und bekam Angst. Und als du mir auf meine Frage, was denn los sei, nicht geantwortet hast, sondern plötzlich auf die Saaltüren zugestürmt bist, da wusste ich, dass etwas Furchtbares passieren würde!«
    »Ich wusste, dass er durchgedreht war«, erklärte Sowerby Slim. »Denn auch der sanfteste, gütigste Mensch ist wie eine Gitarrensaite. Es mag die feinste und edelste Saite sein, aber wenn man sie zu stark spannt, reißt sie! Und deshalb rannte ich in den Saal …«
    »Doch wir dachten, es sei wegen ihr«, sagte Deak. »Wir dachten, er geht auf sie los. Deshalb sind wir alle zur Bar gerannt.«
    »Ich bin nicht gerannt!«, erklärte Cindy-Charlene. »Sie hat es so gewollt, die geile Schlampe! Wenn sie den Cowboy so bitter verhöhnen konnte, dass er durchdreht, dann war sie ganz allein schuld.«
    »Ich hab mir ja nicht um sie Sorgen gemacht«, sagte Slim, »sondern um den Cowboy. Weil ich wusste, wenn er ihr in seinem Wahn irgendwas antat, würde er es sein Leben lang bereuen. Deshalb bin ich in den Saal gerannt. Weil ich dort mit ihm gerechnet hatte.«
    »Doch als wir an die Bar kamen«, sagte Deak, »war der Cowboy nirgends zu sehen. Aber sie stand immer noch dort und starrte wie gebannt auf die Bühne. Ihr Steelgitarrist war gerade mitten in einem Solo; er peitschte die Menge hoch und kreiste so heftig mit dem Kopf, dass sein blöder Pferdeschwanz rotierte, und dabei zog er auf seiner Steelgitarre eine Riesenshow ab.«
    »Und sie stand immer noch mit wogendem Busen und feuchten Lippen da«, sagte Cindy-Charlene, »und bewegte langsam die Hüften im Takt. Sie hatte nicht die leiseste Ahnung, dass dieser sanftmütige Mann wegen ihr ausgerastet war; dass dieser Mann eine Glasvitrine zerschmettert und sich das mörderische Filetiermesser geholt hatte!«
    »Sie merkte, dass ich sie ansah«, erzählte Slim weiter. »Sie fragte mich sogar noch, was es denn da zu gaffen gebe. Und dann grinste sie spöttisch und wandte sich wieder der Bühne zu. Dieses dreiste Flittchen ahnte ja nicht, dass sie mir vielleicht gleich dankbar sein würde, wenn der Cowboy erschien. Denn ich wusste, wenn ich bei ihm war, bevor er sie erreichte, dann konnte ich mit ihm reden und ihn wieder zur Vernunft bringen. Mich würde er nicht verletzen, das wusste ich. Und wenn ich ihn dazu bringen konnte, mir das Große Goldene Filetiermesser auszuhändigen, bevor die Bobbys aufkreuzten, dann war kein allzu großer Schaden entstanden.
    Deak schüttelte seufzend den Kopf und sagte: »Aber wir hatten uns geirrt. Wir standen an der falschen Stelle. Wir hätten hinter der Bühne sein sollen.«
    Slim nickte und sagte: »Ich stand da, mit dem Rücken zur Bühne, und beobachtete sie , ihr Gesicht. Und als ich plötzlich sah, wie sie die Augen aufriss, als ich sah, wie ihr mitten im Kaugummikauen der Mund offen stehen blieb, da war mir alles klar. Ich folgte ihrem Blick und drehte mich um. Und dort auf der Bühne, hinter den ahnungslosen Hebden Bridge Hoboes, sah ich das, was ich so gefürchtet hatte: den Cowboy, der durch die Bühnenverkleidung kam, mit einem mörderischen, irren Flackern in den Augen und dem Großen Goldenen Filetiermesser in der Hand. Ein paar Zuschauer riefen Beifall, weil sie dachten, das gehöre zum Auftritt der Hoboes. Und der Steelgitarrist bezog die Beifallsrufe auf sich und produzierte sich noch mehr; er legte ein Feuerwerk auf der Slidegitarre hin und grinste selbstgefällig ins Publikum, weil er sich für so toll hielt. Er kreiste immer schneller mit dem Kopf, immer schneller, bis ihm sein Pferdeschwanz wie ein Propeller um den Kopf wirbelte und kaum noch zu erkennen war.
    »Und die meisten Zuschauer«, sagte Deak, »saßen da und jubelten.«
    »Die konnten es ja nicht wissen«, erklärte Slim. »Aber wir wussten es. Und sie wusste es.«
    »Sie fing an zu kreischen«, sagte Cindy-Charlene. »Als der Cowboy einen Schritt nach vorn tat, kreischte die Schlampe los.«
    »Aber es war zu spät«, sagte Slim. »Es war für uns alle zu spät. Ich wollte mich durch die Menge zur Bühne vordrängen. Aber dann hörte ich den Schrei! So einen Schrei hatte ich noch nie in meinem Leben gehört und will ich auch nie mehr hören. Die Hoboes hörten zu spielen auf, drehten sich um und erstarrten entsetzt beim Anblick der furchtbaren Erscheinung des Cowboys, der mit irrem Blick im Bühnenhintergrund stand und das rasierklingenscharfe

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