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Der Fliegenfaenger

Der Fliegenfaenger

Titel: Der Fliegenfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Russell
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Eiche begraben zu werden.
    Und deshalb war ich froh, dass sie wirklich tot war; denn so bekam sie nichts von dieser Beerdigung mit; und deshalb war es egal; es war alles egal. Deshalb tat ich einfach, was sie wollten, und ging mit.
    Und auf der Fahrt zum Friedhof, auf dem Rücksitz der schwarzen Limousine, sagte ich nur noch: »Also, ich freue mich für meine Oma, und es ist eigentlich ganz unwichtig, in was für einer Kiste sie liegt, denn sie ist mit dem Meister des Elends auf und davon und schwelgt jetzt wahrscheinlich im Unglück!«
    Da platzte Onkel Jason der Kragen. Er fuhr meine Mam an, jetzt sei es genug, und wenn sie mich nicht gleich zum Schweigen bringe, werde er den Wagen anhalten lassen und ich könne zu Fuß zur Kirche laufen.
    Meine Mam antwortete ruhig, ich würde nirgendwohin laufen.
    Daraufhin ereiferte sich Onkel Jason, so etwas müsse er sich nicht gefallen lassen, ausgerechnet heute, wo er in tiefer Trauer um seine geliebte Mutter sei.
    Und ich weiß nicht, warum es mir in diesem Moment wieder einfiel; ich weiß nicht, ob es dran lag, dass Onkel Jason meine Mam anfuhr oder dass er Trauer heuchelte, wo er meine Oma doch sein ganzes Leben lang beklaut und betrogen hatte. Zum Beispiel hatte er ihre Satellitenschüssel gestohlen! Und da fiel mir wieder ein, wie ich in jener eiskalten Nacht in Failsworth zum Haus meiner Oma gegangen war. Nur dass es nicht mehr ihr Haus gewesen war. Weil es nämlich einen neuen Vorbau hatte und drinnen eine Party stattfand. Und im Garten hatte ich einen Pfosten mit einem Schild gesehen: ZU VERKAUFEN; und drüber hatte jemand das Wort VERKAUFT geklebt.
    »Na ja, jedenfalls«, sagte ich, »ist es gut, dass sie tot ist, denn -«
    »Okay! Das war’s!«, knurrte Onkel Jason. »Ich lass den Wagen jetzt anhalten! Ich bin zu traurig, um so was zu ertragen. Ich lass jetzt anhalten und dann kann er aussteigen und zu Fuß weiterlaufen.«
    Aber ich redete einfach weiter: »… denn wenn meine Oma nicht tot wär, dann wär sie jetzt obdachlos. Sie könnte ja nirgends mehr wohnen, oder?«
    Ich fixierte Onkel Jason und Tante Fay, die mich jetzt anstarrten wie zwei Kinder, die man im Supermarkt mit Anoraktaschen voller Marsriegel erwischt hat.
    »Sie könnte ja nirgends mehr wohnen«, fuhr ich fort, »weil man ihr Haus verkauft hat, während sie im Seniorenheim in Stalybridge war!«
    Sie starrten mich an wie zwei Kaninchen, die der Lichtkegel der Autoscheinwerfer erfasst hat. Doch da schaltete sich wieder Mr. Wilson ein und sagte: »Na komm, Raymond, versuch jetzt mal, ein Weilchen still zu sitzen.« Und dann strahlte er meinen Onkel und meine Tante an und erklärte, es sei langsam Zeit für meine Medikamente.
    »Man merkt es an Raymonds Verhalten«, erklärte er, »wann er seine nächste Dosis braucht; dann wiederholt er sich nämlich ständig, und was er sagt, ergibt immer weniger Sinn.«
    Tante Fay nickte rasch und meinte: »Ja, das dürfen wir wohl nicht vergessen, Ted. Schließlich ist es eine Krankheit, nicht wahr? Wahrscheinlich weiß er meistens selber nicht, was er daherredet, nicht wahr?«
    Ich sah, wie sich mein Onkel und meine Tante wieder etwas entspannten; sie waren gerade noch mal vom Haken geflutscht. Und fast wären sie einfach so davongekommen. Wilson erklärte ihnen, dass die Betroffenen oft paranoiden Täuschungen zum Opfer fielen und dann alle möglichen Anschuldigungen vorbrächten. Und das Diebsgesindel dachte wirklich, es komme ungeschoren davon.
    Aber da beugte sich plötzlich meine Mam vor und starrte mich verblüfft an.
    Sie ignorierte Wilson und die andern und fragte mich: »Was hast du da eben gesagt?«
    »Shelagh«, warf Wilson ein, »reg dich nicht auf, er weiß doch gar nicht, was er -«
    Doch meine Mam achtete nicht auf ihn und bat: »Sag das noch mal, Raymond, das mit Omas Haus.«
    Jetzt sahen mich alle an. Und ich kam mir vor, als säße ich beim Bescheuerten Bob und den Blockbusters und alle starrten mich an und warteten auf die Antwort.
    Da bekam ich es wieder ein bisschen mit der Angst zu tun, und ich fragte mich, ob es vielleicht wieder so wie mit den Mutanten war, nicht real, nur in meinem Kopf, und ob das Haus meiner Oma vielleicht gar nicht verkauft worden war; vielleicht hatte Mr. Wilson ja Recht, und der Hass gegen meinen Drecksonkel Jason kam nur deshalb in mir wieder hoch, weil es allmählich Zeit für meine Medikamente war.
    Ich gab meiner Mam keine Antwort, sondern zuckte nur die Achseln. Und mein Drecksonkel Jason schüttelte den Kopf,

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