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Der Flirt

Titel: Der Flirt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Tessaro
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war leer und still.
    Ohne das Licht einzuschalten, öffnete sie den Kleiderschrank und fing an, sich auszuziehen. Von den Straßenlaternen auf dem Platz vor ihrem Schlafzimmerfenster fiel Licht herein. Sie sah sich im Spiegel dabei zu, wie sie den Reißverschluss des Kleids aufzog, es über die Schultern schob und langsam über die Hüfte gleiten ließ. Sie fühlte sich träge, warm. Es fiel zu einem seidenen Haufen zu ihren Füßen zusammen. Sie zog ihren Slip aus. Dann war sie nackt, stand mit heller Haut im kalten, blauen Licht.
    Es war seltsam, ihren Körper als den ihren zu betrachten. Lange Zeit hatte sie ihn nur im Licht dessen betrachtet, was ihrem Mann gefallen könnte. Doch jetzt gehörte er wieder ihr. Sie strich mit den Händen über ihre Brüste. Die Brustwarzen richteten sich unter ihrer Berührung auf.
    Sie glitt mit den Händen zu ihrer Vagina: kurz und ordentlich geschnittenes Schamhaar, glänzende Schamlippen. Seit Beginn der Vorstellung in der Oper war sie erregt. Das sah ihr gar nicht ähnlich. Normalerweise war sie so beherrscht. Doch irgendetwas − vielleicht die Musik, vielleicht die berauschende Erfahrung, von einem Fremden verführt zu werden −, hatte sie erregt, und jetzt war sie endlich allein.
    Arnaud hatte ihr einmal einen Vibrator gekauft, ein rosa Ding aus Plastik. Er stand auf Requisiten, stand auf alles, was
ihm eine Aura von Raffinesse und sexueller Abenteuerlust verlieh. Sie hatten ihn nie benutzt. Er hatte ihn ihr gezeigt, damit in der Gegend herumgefuchtelt und anzüglich gegrinst und ihn dann zu den anderen »Spielsachen« in eine Schublade in seinem Nachttisch gelegt, wo er noch immer lag, unberührt. Damals war sie entsetzt gewesen.
    Doch vor einer Woche hatte sie sich selbst einen gekauft, ausgerechnet bei Liberty’s.
    Ganze zwei Minuten hatte sie in der Dessous-Abteilung davorgestanden, bevor sie darauf gekommen war, was es war. Aus klarem, makellosem Glas bog sich der handgefertigte dicke, lange Schaft sanft, mit einer glänzenden Krone aus Swarovski-Kristallen an der Spitze. Er hatte fast tausend Pfund gekostet. Und so sehr sie sich auch bemüht hatte, sich auf die Baumwollschlafanzüge mit Blümchenmuster zu konzentrieren, Olivias Blick war immer wieder zu der Vitrine gewandert, wo er vor aller Augen ausgestellt gewesen war.
    Das faszinierte sie. Sie war im Liberty’s, Heimat der Artsand-Crafts-Bewegung, allseits bekannt als der Laden, der perfekt geeignet war, um seiner Mutter einen Schal zu kaufen, und beglotzte einen diamantenen Dildo. Der Preis ließ sie schwindeln; die Vorstellung, so viel Geld für ihr privates sexuelles Vergnügen auszugeben, war ungeheuer dekadent, vor allem in einem Zeitalter, wo es sehr schwierig war, dekadent zu sein.
    Errötend bat sie, ihn sich ansehen zu können. Die forsche, geschäftstüchtige Verkäuferin richtete den Blick sittsam in mittlere Entfernung, als Olivia mit den Händen über die kühle, weiche Oberfläche fuhr. »Ich nehme ihn«, sagte sie, überrascht, wie sicher sie sich war. Und während die Verkäuferin ihn einpackte, dämmerte ihr, dass sie sich noch nie vor jemandem so entblößt hatte.

    Jetzt holte sie die Schachtel aus ihrem Versteck unter dem Bett und wickelte ihn aus dem Seidenpapier. Sie zog den Louis-Ghost-Stuhl vor den deckenhohen Spiegel, setzte sich und spreizte die Beine.
    Ihre Brüste, ihre Oberschenkel, die Rundung ihres Bauches und ihre Vagina, weit geöffnet wie auf dem Präsentierteller. Einen Augenblick hörte sie die Stimme ihrer Mutter in ihrem Kopf. »Eine Dame sitzt stets mit geschlossenen Beinen! Was wäre, wenn jemand deinen Schlüpfer sehen würde?« Der Tonfall ihrer Mutter deutete an, dass er (der Schlüpfer) schmutzig wäre.
    Was wäre, wenn jemand es sähe?
    Olivia dachte an die Verkäuferin. Sie hatte genau gewusst, wozu Olivia ihn benutzen würde.
    Sie spreizte die Beine noch weiter auseinander.
    Was wäre, wenn alle es sehen könnten?
    Das kühle Glas glitt in sie hinein.
    Sie hatte ausschweifende Sehnsüchte. Schon seit Ewigkeiten. Unschicklich, undamenhaft, animalisch. Begierden, die sie nie jemandem gestanden hatte.
    Und jetzt lebte sie sie aus, befriedigte sich vor aller Augen. War sie widerlich?
    Oder war sie sexy, echt, lebendig?
    Sie warf den Kopf zurück. Ihr Mund war trocken; an der Rückseite ihrer Beine und zwischen ihren Schulterblättern bildeten sich Schweißperlen. Durch ihren Kopf stürmten Bilder.
    Sie war umzingelt. Eine Horde Männer in Anzügen beobachtete sie, ihr

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