Der Flirt
Geruch von hundert getoasteten Scheiben Brot, der verlockenden Würze von gebratenen Speckscheiben und dem extrastarken Bleichmittel mit Zitronenduft, mit dem sie Tische und Boden putzten. (Rose hatte auf Zitronenduft bestanden, denn es war das Einzige, was den Gestank nach Frittenfett zu überlagern schien.
Wie rührend, sie hatten es nicht gegen etwas anderes ausgetauscht, nachdem sie weg war.)
Alles in allem kam ihr das Café kleiner, aber sauberer vor, als sie es in Erinnerung hatte. Hinten war Bert gerade dabei, den Grill zu putzen, und eine andere junge Frau, ein Rose-Ersatz mit schwarzem Haar, zu viel Eyeliner und einem engen T-Shirt, auf dem »Ich bin kein Engel« stand, lehnte in der Nähe der Kasse am Tresen und plauderte am Handy, ohne Rose die geringste Beachtung zu schenken. Dies waren die Wendepunkte ihrer Vergangenheit, alle sicher, alle intakt. Erleichterung überkam sie. Es bedeutete ihr sehr viel, dass alles noch da war, etwas Festes und Unveränderliches aus dem Leben, das sie freimütig hinter sich gelassen hatte.
Dann fiel ihr Blick auf eine vertraute Gestalt. An einem der hinteren Tische saß Sam und starrte ins Leere.
Rory quengelte in seinem Kinderwagen und streckte die Ärmchen in die Luft. »Raus!«, rief er. »Ich will raus!«
Kaum war er draußen, sauste er glücklich zwischen den leeren Tischen herum und sammelte sämtliche Salz- und Pfefferstreuer ein, um sie in Schlachtreihen aufzustellen. Die dunkelhaarige junge Frau blickte ihn finster an, war jedoch zu sehr mit der Planung ihres Samstagabends beschäftigt, um einzugreifen.
Rose schob sich Sam gegenüber in die Sitznische. Er schaute auf.
»Hey, Mädchen.« Er lächelte zerstreut. »Wie geht’s?«, fragte er und trank einen Schluck kalten Tee. Vor ihm lag unbeachtet ein Stapel Rechnungen und Kataloge.
»Toll!« Sie nickte. »Wirklich toll.«
»Wie gefällt dir das Künstlerinnendasein?«
»Ach, weißt du!« Sie lachte. Plötzlich war es wieder da, das Gefühl zu stürzen, die Kontrolle zu verlieren. Sie wandte
sich ab und schaute aus dem Fenster, um den Blick auf etwas zu konzentrieren. Doch auch draußen schwankte alles.
»Nein«, sagte Sam. »Weiß ich nicht. Warum erzählst du’s mir nicht.«
Rose schaute auf. Sein Blick war freundlich, abwartend. Sie konnte einfach nichts vor ihm verbergen.
»Es ist ganz anders, als ich gedacht habe«, gestand sie. Es schnürte ihr die Kehle zu, und sie befürchtete, weinen zu müssen. Was hatte sie denn zu weinen?
»Es ist … ich bin … wirklich, wirklich … ganz schön durcheinander.«
»Aha.« Er konzentrierte sich auf seine Teetasse, drehte sie auf dem Unterteller immer wieder im Kreis. »Da wären wir ja schon zu zweit.«
»Warum bist du denn durcheinander?«
Rory ließ eine Garnison Salzstreuer zu Boden stürzen. Sie rollten in alle Richtungen. »Rawums!«, rief er fröhlich und machte sich daran, dasselbe mit den Pfefferstreuern zu machen.
»Hör auf damit!« Rose lief zu ihm, um sie aufzuheben. Die dunkelhaarige junge Frau verdrehte die Augen, machte aber keine Anstalten, ihr zu helfen. Schließlich gelang es Rose, den wütend sich windenden Rory neben sich auf die Bank zu schieben, gegenüber von Sam, und ihn mit einem improvisierten Spiel zu besänftigen, indem sie einen Stapel aus Zuckertütchen machte, die er mit seinem kleinen Spielzeugzug umfahren konnte.
»Was wolltest du sagen?«, hakte Sam nach.
»Ich weiß nicht, was ich sagen wollte. Was wolltest du denn sagen?«
»Nichts.«
Sie sah zu, wie Rory die Zuckertütchen mit einem ramponierten Thomas, der kleinen Lokomotive, rammte.
»Ich will etwas«, sagte Sam schließlich.
»Was?«
Er trommelte aufgewühlt mit den Fingern auf die Tischplatte. »Etwas, was ich nicht haben kann.«
»Wie kommst du darauf, dass du es nicht haben kannst?«
»Weil« - er fuhr sich aufgebracht mit den Händen durch die Haare, während er die richtigen Worte suchte -, »weil es um … ich weiß nicht … weil ich mich für etwas, das aller Wahrscheinlichkeit nach sowieso nichts wird, vollkommen zum Idioten machen würde.«
Rose überlegte einen Augenblick. »Ah ja. Verstehe.«
Sam war für sie wie fester Boden unter den Füßen, stabil. Er traf den Nagel immer auf dem Kopf.
Sie blickten beide aus dem Fenster.
»Ich will auch etwas«, gestand sie.
»Was?«
»Ich will eine richtige Künstlerin sein, Sam.« Sie schaute auf. »Ganz schön verrückt, was?«
Das Café würde bald schließen. Die dunkelhaarige junge Frau
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