Der Flirt
Reportern würden am Nachmittag zur Markteinführung des »Nemesis All-Pro Sport 2000«-Tennisschuhs versammelt sein.
Die Anwesenheit des Weltranglistenspielers Ivaldos Ivaldovaldovich bedeutete, dass sie wegen des Events im Hyde Park schon Schaum vor dem Mund hatten. Und für hinterher hatte Svetlana sich eine besondere Belohnung für ihn ausgedacht, an der außer ihr noch zwei Freundinnen mitwirken würden.
Doch noch wichtiger war, dass heute der Tag war, da er Olivia wieder an den ihr zugedachten Platz rücken und den häuslichen Frieden wiederherstellen würde. Jonathan Mortimer hatte ihn mit allen Informationen versorgt, die er brauchte, um sie so zu beschämen, dass sie sich willfährig zeigen würde. Und obwohl es im Dorchester ziemlich behaglich war, freute er sich darauf, die Nächte wieder in seinem eigenen Heim zu verbringen, sozusagen als König wieder fest auf dem heimischen Thron zu sitzen. Schließlich ging es ums Prinzip.
Endlich hörte Kipps auf, an seinen Haaren herumzuzupfen. Arnaud stand auf und warf seine Haare von einer Seite zur anderen.
»Fülle und Bewegung«, bemerkte Kipps.
Arnaud konnte keinen Unterschied sehen, aber er wollte verflucht sein, wenn er zulassen würde, dass sein Kammerdiener Oberwasser bekäme. »Ja, viel besser. Gut gemacht.« Und nur um zu zeigen, wer hier der Chef war, steckte er Kipps einen Fünfzig-Pfund-Schein zu, was dieser mit leicht geschürzten Lippen quittierte.
Heute war es besonders wichtig, dass er gut aussah, denn es sollte in mehr als einer Hinsicht ein denkwürdiger Tag werden.
Jonathan Mortimer ließ sich Zeit. Er hätte die beiden älteren Jungen in ihre Schuluniformen zwängen und sie dazu bringen sollen, ihre Cornflakes zu essen, doch stattdessen schlich
er in sein Arbeitszimmer und rief auf dem Computer die Webseite eines Immobilienhändlers auf.
Dies wurde immer mehr zu seiner vorrangigen Obsession. Wie weit würden sie vom Stadtzentrum von London wegziehen müssen, wenn er seinen Job an den Nagel hängen und woanders neu anfangen wollte?
Die Antwort war wenig erfreulich. Würden Amy und die Jungen in Surbiton glücklich sein?
War irgendjemand in Surbiton glücklich?
Und doch ließ diese Szene ihn nicht los. Immer wieder spielte er im Kopf die Situation durch, wie er vor Arnaud Bourgalt du Coudray trat, ihm die Mandantschaft kündigte und dann zu einer detaillierten Aufzählung von Arnauds Scheitern als menschlichem Wesen ausholte. Inzwischen konnte er die Rede im fünffüßigen Jambus halten. Doch die schmerzliche Wahrheit war die, dass er in der Falle saß. Gezwungen, Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat für einen Mann, den er verabscheute, alle möglichen unangenehmen Dinge zu erledigen − so lange, wie er brauchte, um die Hypothek abzubezahlen, die Ausbildung der Kinder zu finanzieren, ihre Urlaube zu bezahlen …
Er fuhr sich mit den Fingern durch sein lichtes Haar. Vielleicht sollte er Lotto spielen.
»Surbiton, was? Ich habe gehört, um diese Jahreszeit soll es da ganz schön sein.«
Er schaute auf.
Amy stand in der Tür, in einem maßgeschneiderten Nachthemd, die Arme verschränkt. Sie sah frisch und hübsch aus. Irgendwo oben im Haus waren die Jungen zu hören, wie sie sich und ihrer Umgebung unsäglichen Schaden zufügten.
»Tut mir leid. Ich bin schon unterwegs.« Er stand auf und klappte schuldbewusst den Laptop zu. »Schon unterwegs.«
Doch Amy trat ein, schloss die Tür und setzte sich. Sie sah ihn an, und ihr Blick war sehr klar und ruhig.
»Es funktioniert nicht, oder?«
Jonathan setzte sich wieder. »Wir sind müde. Es ist ein ungünstiger Zeitpunkt. Wir sollten dieses Gespräch lieber führen, wenn wir ausgeruht sind.«
»Es gibt keinen günstigen Zeitpunkt. Es wird noch Jahre dauern, bevor wir mal richtig ausgeruht sind.«
»Die Jungen …«
»Ja, die können warten. Die können auch mal zu spät zur Schule kommen. Glaub mir, ihre Lehrer werden sich freuen. Und wir müssen reden.«
Sie tat nichts, als eine Tatsache festzustellen, eine schlichte, offensichtliche Tatsache. Es funktionierte nicht. Es funktionierte schon eine Weile nicht. Eine ganze Weile. Sie wussten es beide. Doch es war ihr Verhalten, das ihn irritierte. Keine Tränen, kein Geschrei. Sie war ruhig, undramatisch.
»Es funktioniert nicht«, sagte sie noch einmal und faltete die Hände im Schoß. »Nicht wahr?«
Und in diesem Augenblick wusste Jonathan wieder ganz genau, was er je an Amy geliebt hatte: ihren Mut, ihre Klarheit,
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