Der Flirt
ihren Einfallsreichtum. Ihre Hände, die so klein waren, und ihr schiefes Lächeln.
Er berührte sie am Arm.
»Verlass mich nicht. Ich will nicht, dass du mich verlässt.«
Es hatte nicht die Wirkung, die er erwartet hatte. Nicht dass seine Worte kalkuliert gewesen wären, sie waren spontan und ehrlich. Doch immer wenn er bisher so offen gesprochen hatte, hatte sich etwas verändert, verschoben. Normalerweise war dieses Etwas Amy.
Stattdessen neigte sie den Kopf zur Seite.
»Keiner von uns ist glücklich, Jonathan. Das ist einfach so. Aber wir haben nicht einmal die Hoffnung auf zukünftiges Glück. Und das ist ernst.«
Es war wie eine Abrissbirne, die außer Kontrolle geraten war. Diese unbarmherzige, akkurate Einschätzung machte die sensible Balance ihres Lebens dem Erdboden gleich. Jonathan wurde unsicher, suchte nach einer Widerlegung von ähnlicher Schlagkraft, um sich der Zerstörung entgegenzustellen.
»Aber ich liebe dich«, flehte er.
Einst war dies die Antwort auf all ihre Probleme gewesen, eine gleichwertige, wenn nicht gewichtigere Einlassung gegen eine unangenehme Wahrheit. Jetzt trieben seine Worte dahin, unerheblich, eine Fußnote, vergraben am Ende eines langen, komplizierten Absatzes.
Ach, übrigens, sie haben sich geliebt.
Die Handlung ging unbeirrt weiter.
»Irgendetwas muss sich ändern. Und die Antwort ist nicht Surbiton«, sagte sie.
»Okay, toll.« Er schwitzte. Er schwitzte immer, wenn er nervös war. »Wir können überall, wo du willst, hinziehen.«
Auch das hatte keine Wirkung auf sie.
»Oder nirgendwohin. Wir können hierbleiben. Ich kann mehr Überstunden machen.«
Sie schüttelte den Kopf. Sie hatte etwas von einer Sphinx, Selbstbeherrschung und Zurückhaltung. Er rätselte noch herum, wo sie längst die Antwort wusste.
»Gefällt dir mein Nachthemd?«
Er blinzelte. »Verzeihung?«
»Das Nachthemd hier, gefällt es dir?«
»Ja. Ja, es ist sehr hübsch.«
»Gut. Denn ich habe einen Job angeboten bekommen,
ich soll helfen, dieses neue Design zu vermarkten. Und ich möchte dich gerne Folgendes fragen: Wärst du bereit, weniger zu arbeiten und dich mehr um die Jungen zu kümmern?«
Fauxpas
Olivia überprüfte noch einmal die Adresse, die Mimsy ihr gegeben hatte, schob die Tür des winzigen Ladens auf und trat ein. Die Tür fiel zu, und der Lärm von der Straße verstummte.
Der Laden war leer.
Sie wartete einige Augenblicke und rief dann: »Hallo? Hallo? Jemand da?«
Keine Antwort.
»Hallo?«
Nichts.
Sie sah sich um. Der Raum wirkte gar nicht wie ein Laden, sie konnte nirgendwo irgendwelche Waren sehen. Es war eher wie ein kleines, intimes Wohnzimmer aus der Zeit der Jahrhundertwende. Ja, es sah genauso aus, wie sein Name andeutete − Bordello. Ein wenig kitschig, ein bisschen halbseiden und trotzdem faszinierend.
Sie setzte sich in einen der Sessel.
Mimsy hatte sie vor Monaten − als alles, woran sie denken konnte, die Rettung ihrer Ehe war − gedrängt, einen Termin zu machen. »Sex ist die machtvollste Waffe in deinem Arsenal«, hatte sie ihr erklärt. »Sorge für die richtige Verpackung, und es schert sich niemand mehr um das Geschenk darin!«
Wen scherte es schon? Sie jedenfalls nicht.
»Hallo?«, rief sie noch einmal, leicht verärgert.
Was für eine Zeitvergeudung! Warum gebe ich mir überhaupt so viel Mühe?
Sie wollte gerade gehen, als sie etwas hörte.
Sie ging zur Hintertür und rief noch einmal: »Hallo!«
Dann fiel ihr Blick auf etwas Vertrautes.
Eine cremefarbene Briefkarte von Smythson’s lag auf dem Tisch.
Komm mit mir.
Sie nahm sie zur Hand.
Darunter lag noch eine.
Träum mit mir.
Dann geschah etwas wirklich Absonderliches.
Aus dem Hinterzimmer kam die junge Frau mit dem schwarzen Bubikopf − diejenige, die in der Oper gewesen war.
»Es tut mir leid, dass Sie warten mussten«, sagte sie lächelnd. »Ich heiße Leticia.«
In Olivias Kopf schwirrten die Gedanken. Was machte sie hier? Woher hatte sie diese Karten?
»Warum setzen Sie sich nicht und entspannen sich, während ich Ihnen etwas zu trinken hole? Sie sehen aus, als könnten Sie ein Glas vertragen.« Sie verschwand wieder im Hinterzimmer.
Olivia ging wie benommen zu einem Sessel.
Plötzlich fügten sich die Teile zusammen.
Diese junge Frau bewundert mich; sie ist in mich verliebt!
Leticia kehrte mit einem hohen Champagnerglas zurück.
»Bitte sehr.« Sie reichte es Olivia und hockte sich auf die
Lehne des Sessels gegenüber. Olivia sah zu, wie
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