Der Flirt
dahinten?«
Sie schluckte schwer. »Prima!«, rief sie.
Dann kamen sie auf das Embankment, und Sam gab richtig Gas. Houses of Parliament, Westminster Bridge, Downing Street huschten vorbei, beim Dröhnen des Motors blieben Menschen wie angewurzelt stehen.
Sie verstärkte ihren Griff und schloss die Augen. Plötzlich flogen sie, durchschnitten die Luft, und an die Stelle der Angst trat ein unglaubliches Hochgefühl. Sie wurde von einem Freiheitsgefühl durchströmt, das sie seit Kindertagen nicht mehr gespürt hatte, und lachte. Es war gefährlich. Doch sie fühlte sich sicher. Sam würde auf sie aufpassen.
Viel zu schnell fuhren sie wieder vor dem Laden vor, die Fahrt war zu Ende.
Er schaltete den Motor aus.
»Sie können jetzt loslassen«, erinnerte er sie leise.
»Oh, na klar.«
Sie stieg ab und war überrascht, wie sehr ihre Beine zitterten.
»Hier!« Er streckte den Arm aus, um sie zu stützen. »Also, was denken Sie?«
Es war ein lächerliches Gefühl: körperlich, ausgelassen wie nach einer Fahrt mit der Achterbahn. »Jeden Penny wert!« Sie lachte wieder und setzte den Helm ab. »O Gott!« Sie fuhr sich durch die Haare. »Sehe ich schlimm aus?«
»Nein.« Er heftete den Blick auf sie. »Sie sind schön.«
Ein tödlicher Virus
Valentine saß Hughie an dem riesigen Mahagonitisch in seinem Büro gegenüber, die Hände vor sich verschränkt. Flick stand nervös hinter ihm, die Arme vor der Brust verschränkt, die geschürzten Lippen fest zusammengepresst. Für Hughie war dies ein sehr vertrautes Szenario. Er hatte im Laufe der Jahre zahllosen finster dreinblickenden Schulleitern und Arbeitgebern gegenübergesessen; alle wichtigen Kapitel seines Lebens waren mit einer Variante der Szene, die sich gleich hier abspielen würde, zu Ende gegangen. Und er hatte festgestellt, dass der Trick der war, nachzugeben und sich zu entspannen − ähnlich wie wenn man eine Treppe hinunterstürzte −, je weicher und nachgiebiger man sich machte, desto weniger blaue Flecken gab’s hinterher.
Valentine atmete durch die Nase aus wie ein Bulle. »Hughie, stimmt es, dass Henry sich soeben mit Ihrer Mutter verlobt hat?«
»Ja, Sir.«
»Und dass Marco hinter Ihrer Schwester her ist?«
»Also …«
»Wussten Sie, dass er gekündigt hat? Dass er behauptet, in sie verliebt zu sein?«
»In meine Schwester?« Er schüttelte den Kopf. »Das ist unmöglich, Sir.«
»Können Sie einen Trend erkennen, Hughie? Einen Zusammenhang? Oder muss ich es Ihnen erklären?«
»Also« - Hughie kämpfte noch mit dem Gedanken an Marco und Clara -, »da ist ja ganz schön was los.«
»Nein, Hughie, was hier los ist, sind Sie! Von vier Mitarbeitern sind zwei durch Ihre Anwesenheit völlig korrumpiert worden. Seit Sie da sind, haben sich zwei solide, zuverlässige, äußerst talentierte Männer in wenigen Wochen dermaßen verändert, dass sie nicht wiederzuerkennen sind.«
»Vielen Dank, Sir.«
Valentine schlug mit der Faust auf den Tisch. »Das ist kein Kompliment, Hughie! Sondern ein schwerwiegender Vorwurf!«
Flick berührte ihn am Arm. »Valentine …«
Seine Augen blitzten, seine Nasenflügel bebten.
Sie zog ihre Hand zurück.
»Sie werfen mir vor, dass die beiden sich ineinander verliebt haben?«, fragte Hughie.
»Ich werfe Ihnen vor, Chaos in diese Agentur gebracht zu haben! Und Liebe ist Chaos allerhöchsten Ranges. Mit Liebe haben wir nichts am Hut. Wir geben uns nicht damit ab, wir tun nicht einmal so. Wir flirten. Mehr nicht. Wir inspirieren, und dann verschwinden wir wieder. Nicht zu fassen, dass ich das sage, aber irgendwie haben Sie es zustande gebracht, einem Gewerbe, das darauf beruht, über die Oberfläche menschlicher Begegnungen hinwegzugleiten, eine unerwünschte Tiefe zu geben. Bevor Sie zu uns gestoßen sind, waren meine Männer vollkommen glücklich. Doch jetzt sind sie alle auf eine Beziehung aus! Intimität! Liebe!«
Hughie beugte sich vor. »Sie glauben wirklich, ich besitze Tiefe?«
Valentine stand auf. »Hughie, ich bin zu dem Schluss gekommen, dass Sie ein Romantiker sind. Und Romantik ist für uns ein tödlicher Virus. Obwohl Sie anfangs wahrlich Talent an den Tag gelegt haben, sind Sie meiner Meinung
nach unfähig, Ihre Pflichten zu erfüllen. Sie sind mit sofortiger Wirkung entlassen.«
Flick beugte sich vor. »Valentine …«
Er blickte sie finster an. »Bitte erlauben Sie mir fortzufahren, Ms. Flickering. Ihre Uhr und Ihr Handy werden Sie mir sofort aushändigen. Die Anzüge können Sie
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