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Der Flirt

Titel: Der Flirt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Tessaro
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einen ägyptischen Touch.
    Der ganze Vormittag war deprimierend. Rory fühlte sich unzulänglich, reizbar und klein. Je angestrengter sie sich darum bemühte, sich etwas Originelles einfallen zu lassen, desto langweiliger und stumpfsinniger kam sie sich vor.
    »Also, Liebes, da kann ich dir nicht helfen. Warum suchst du dir keinen anständigen Job?«, meinte ihr Vater. »Als Friseurin oder so. Die Haare schneiden lassen müssen die Leute sich immer.«
    Roses Vater hatte versucht, aus ihr eine Friseurin zu machen, seit sie drei Jahre alt war. »Dad, ich will nicht Friseurin werden! Ich wollte nie Friseurin werden! Verdammt, nur weil Mum Friseurin …«
    »He!«, unterbrach er sie. »Sprich nicht schlecht von den Toten!«
    »Sie ist nicht tot, Dad. Sie lebt in Brighton.«
    »Ein und dasselbe.« Er fuhr über eine Kreuzung, trotz roter Ampel. »Egal, früher oder später musst du es zugeben. Wenn du die Gabe nicht hast, war’s das. Das ist nichts, wofür du dich schämen musst. Schließlich ist nicht jeder Damien Hirst.«

    Rose starrte ihn verdutzt an. »Was weißt du denn über Damien Hirst?«
    Mick lachte und bog in die Brook Street. »Du könntest immer noch eine Käseraspel in die Albert Hall stellen, Kind! Aber denk dran, dann will ich ein bisschen was vom Ruhm abhaben! Also, wo ist der Laden?«
    Rose seufzte. Er nahm sie nicht ernst.
    Andererseits, warum sollte er?
    Das war mal wieder typisch, immer wenn sie dachte, sie würde endlich etwas erreichen, jemand sein, vermasselte sie alles wieder. Immer. In der Schule war es genauso gewesen, als sie so gut war und fleißig auf die Mittlere Reife hingearbeitet hatte und sich dann in Rorys Vater verliebt hatte, der DJ in einem großen Club im West End war. Drei ganze Wochen lang waren sie verrückt aufeinander gewesen; sie hatte sogar gedacht, er würde ihr einen Antrag machen. Doch plötzlich war sie schwanger, ihr Vater war wütend, und der Typ hatte sich mit einem Mädchen namens Doreen nach Ibiza abgesetzt, um dort in den Clubs aufzulegen. Es hatte keinen Zweck gehabt, weiterzulernen; ihr Schicksal war besiegelt gewesen.
    Sie hatten in der Schule den Hamlet gelesen, und der Lehrer hatte ewig darüber gelabert, dass er einen verhängnisvollen Charakterfehler hatte. Bei ihr war es genauso. Egal, was sie tat und wie sehr sie sich bemühte, ihr Schicksal in die Hand zu nehmen, sie war auf Versagen programmiert. Und jetzt war es wieder so weit; sie würde Simon und Olivia erklären müssen, dass ihre schlimmsten Befürchtungen sich bewahrheitet hatten: Sie war kein Naturtalent, sondern nur eine Betrügerin. Und ihre angehende Karriere als Künstlerin würde vorbei sein, bevor sie überhaupt begonnen hatte.
    Wenige Minuten später parkte Mick an einer doppelten gelben Linie vor der Galerie, sprang aus dem Wagen und öffnete
die Hecktüren. Rory wachte weinend auf, und während Rose versuchte, ihn zu beruhigen, erspähte sie einen Hilfspolizisten, der auf sie zukam.
    »Dad! Dad!«, zischte sie.
    Mick streckte den Kopf raus. »Mist! Ich wollte nur, dass du mal einen Blick auf den Sessel wirfst, Liebes. Warte’ne Minute.« Er verschwand wieder im Lieferwagen, und Rose hörte, dass er sich mit irgendetwas abmühte.
    Simon kam herausgestürmt. »Hier ist Parkverbot! Oh, Red!«, grüßte er sie überrascht. »Bitte sagen Sie, dass das Ihr neuestes Stück ist! Wir eröffnen schließlich bald!«
    »Es tut mir sehr leid«, stotterte sie. »Ich … ich weiß, Sie haben mich sehr unterstützt, und ich wollte unbedingt Künstlerin sein, aber ich muss Ihnen sagen, ich kann’s nicht! Ich …«
    Der Hilfspolizist war jetzt auf ihrer Höhe. »Was ist hier los?«
    »Entladen!«, rief Mick und mühte sich, einen besonders hässlichen, mit braunem Velour bezogenen Lehnsessel von ganz hinten im Lieferwagen ans Licht zu zerren. »Bin gleich wieder weg.«
    Simon starrte darauf. »Was ist es?« Behutsam nahm er das vergilbte Zierdeckchen von der Rückenlehne.
    Rose erkannte den Sessel sofort. Er hatte Mrs. Henderson gehört, der Nachbarin ihres Vaters. Sie war eine nette alte Dame gewesen, für Rose wie eine Großmutter. Leider war sie vor zwei Wochen gestorben.
    »O nein!«, murmelte sie, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. Es war ein harter Vormittag gewesen, doch beim Anblick des Sessels wurde sie traurig. »Nein, Dad, nicht!«, flüsterte sie. »Tu ihn weg! Ich kann ihn nicht mal ansehen!«
    »Aber warte doch!«, beharrte Mick und bückte sich, um vorzuführen, wie sich der Sessel

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