Der Flirt
ziemlich gut gelaufen!« Er strahlte.
»Jaaaaa.« Henry schaute in den Rückspiegel.
Irgendetwas stimmte nicht.
Die Frau stand immer noch in der Tür.
Irgendwie war es seltsam, wie sie sich an den Türrahmen klammerte.
Plötzlich klappte sie nach vorn und hielt sich den Bauch.
Die weiße Rose fiel zu Boden.
»Oh, mein Lieber«, seufzte Henry, »ich glaube, wir haben ein Problem.«
Später Vormittag, Leticia lag reglos in ihrem Bett, die Vorhänge ihres Schlafzimmers waren zugezogen. Ihre Beine fühlten sich an wie Beton, dick, entzündet, wie eine Skulptur von Henry Moore. Sie rollte den Kopf zur Seite, er pochte.
Draußen war London aus dem Schlaf erwacht, hatte geduscht, sich angezogen, gefrühstückt und sich wieder einmal in den Kampf gestürzt. Doch in ihrem kleinen Schlafzimmer träumte Leticia von der Nacht. Nicht dass sie sich nach
Schlaf sehnte. Doch sie sehnte sich nach den Stunden der Dunkelheit, wenn die Welt draußen endlich ihrer inneren Landschaft entsprach.
Es war Zeit, an die Arbeit zu gehen. Zeit, aufzustehen.
Doch wozu? Noch mehr reiche Frauen, mehr Entwürfe, mehr Arbeit, mehr Dessous, mehr Geld, mehr Frauen … immer weiter ging das so, ohne Sinn und Zweck. Alles, woran sie so leidenschaftlich geglaubt hatte, hatte plötzlich seinen süßen Duft verloren, und übrig geblieben war nur der trockene Staub der Gewohnheit und der Pflicht.
Sie drehte sich auf den Rücken.
Was war, wenn Leo starb? Was hatte sie dann in ihrem Leben noch, das von Dauer und von Bedeutung war?
Nichts.
Noch schlimmer war, dass sie sehr lange und sehr hart daran gearbeitet hatte, nichts zu haben. Sie verwendete sehr viel Energie darauf, mit Männern ins Bett zu gehen, die sie nicht liebte. Sie verbrachte ihre ganze Zeit damit, einen Laden aufzubauen, der Frauen eine Dienstleistung bot, für die sie nicht besonders viel übrighatte. Selbst ihr Name war falsch.
Wenn Leo starb − was eines Tages passieren würde −, würde sie allein sein.
Leticia schloss die Augen.
Und dann Hughie. Die ganze Szene war ein einziger Schlamassel gewesen. Statt wegzugehen und sich frei zu fühlen, war sie davongelaufen, ungeschützt und völlig aufgelöst. Liebte sie ihn? Er war doch bloß ein Junge. Oder lag es daran, dass ihr inzwischen jede Zärtlichkeit fremd war?
Das war kein tröstlicher Gedanke. Er war vielmehr so unangenehm, dass Leticia sich aus dem Bett zwang, sich anzog und in den Laden ging, um ihren morbiden Gedanken zu entkommen.
Nur dass, als sie zum Laden kam, es keinen Strom gab.
Sie rief den Stromversorger an. Irgendein Blödsinn von wegen, sie hätte die Rechnung nicht bezahlt. Sie gab ihnen übers Telefon die Nummer ihrer Kreditkarte durch. Die Zahlung wurde verweigert.
Sie rief ihre Bank an. Ein Mann mit starkem indischem Akzent erklärte ihr, selbst ihr Überziehungskredit sei überzogen. Sie argumentierte und fluchte. Er blieb nervtötend r uhig.
Erst als sie aufgelegt und sich stinksauer im Dunkeln hingesetzt hatte, fiel ihr noch etwas auf.
Das Tropfen war wieder zu hören.
Professionelle Massage des weiblichen Egos ganz allgemein
(2. Teil)
Henry ging mit Hughie in ein elegantes Café am Sloane Square. Sie setzten sich und bestellten zwei Kaffee.
»Das war außergewöhnlich«, sagte Hughie nach einer Weile.
»Hmmm.«
Sie tranken ihren Kaffee.
»Einmal mit dem Schlauch durch, und der Lieferwagen sieht bestimmt aus wie neu.«
»Ja, ja«, stimmte Henry ihm zu. »Bestimmt.«
Die Erinnerung daran, wie Amy Mortimer hinten in ihrem Lieferwagen heulend und zähneknirschend über die Ladefläche gekrochen war, war schwer auszulöschen.
»Ist dir so etwas schon einmal passiert?«
»Nein.« Henry runzelte die Stirn. »Nein, noch nie. Also, ich nehme an«, sagte er, und seine Miene erhellte sich, »dass wir es nur als Omen betrachten können … als gutes Zeichen, hoffe ich doch!«
Hughie hob die Tasse. »Auf das neue Leben und so weiter!«
»Genau! Volle Kraft voraus!«
Sie richteten beide den Blick ins Leere.
Es war alles so drastisch gewesen; allein die Flüche, die die Frau ausgestoßen hatte, hatten Narben hinterlassen, die nur die Zeit heilen konnte.
Henry sammelte sich als Erster. »Ja, nun, wie dem auch sei.«
»Genau.«
»Also, hast du das hier gelesen? Sie ist noch jung. Du musst vorsichtig sein, Smythe. Achte besonders darauf, sie nicht lüstern anzuschauen.«
»Lüstern anzuschauen! Ich bin noch ein bisschen jung für lüsterne Blicke.«
»Also, achte einfach darauf. Okay.
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