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Der Fluch der Abendröte. Roman

Der Fluch der Abendröte. Roman

Titel: Der Fluch der Abendröte. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leah Cohn
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und begann zu rennen. Trotz der Müdigkeit hielt Aurora Schritt.
    Aus dem Faden Grau wurde ein Lichtstreifen, und dieser schließlich immer breiter. Er floss durch die Ritzen einer alten, mit Eisen beschlagenen Holztür.
    Ohne ihr Tempo zu drosseln, rannte Mia darauf zu, stieß mit ganzer Kraft dagegen – und prallte zurück. Ein Schmerzensschrei entfuhr ihr. »Was für ein Mist!«, rief sie aus, um gleich darauf an der Tür zu rütteln – vergebens.
    Unaufgefordert machte Mia ihr Platz. Aurora ließ das Schwert fallen, schloss kurz die Augen, um die verbleibende Energie zu sammeln, schlug schließlich mit der Faust gegen die Tür. Das Holz knirschte, doch die Tür blieb verschlossen.
    Aurora rieb sich die Hand, die zwar nicht schmerzte, sich aber taub anfühlte, hob dann das Schwert und bat Mia, noch weiter zurückzutreten.
    Ein Ächzen entfuhr ihr, als sie das Schwert hob und es aufs Holz niedersausen ließ. Sie hatte keine Ahnung, ob die Waffe der Nephilim jemals zu etwas anderem genutzt worden war als zum Töten von Feinden … und Menschen. In jedem Fall war die Klinge schneidend scharf. Das Holz war zwar dick, aber morsch und barst sofort unter der Wucht des Schlages. Den Eisenbeschlägen konnte die Klinge zwar nichts anhaben, aber das war auch nicht notwendig, denn das Loch war groß genug, um hindurchzugreifen, die Klinke auf der anderen Seite zu erfassen und die Tür zu öffnen.
    Mia hatte sich geduckt, nun aber war sie die Erste, die über die Schwelle trat und sich halb erstaunt, halb erleichtert umsah.
    »Also gibt es doch noch eine der alten Sudhütten.«
    Der Raum war düster, die Wände grau, die Decke aus Holz. Anstelle von Fenstern gab es nur winzige Luken, durch die sie nur mit Mühe würden hindurchklettern können, und das Licht, das von dort hereinfloss, war von einem schwachen Gelb, das wohl nicht von der Sonne, sondern von Straßenlaternen herrührte. Nur undeutlich sah man die Umrisse von riesigen Pfannen – mindestens zehn mal zehn Meter groß –, einer Feuerstelle, von Stühlen, Tischen und einem Kessel.
    Wie Mia trat nun auch Aurora über die Schwelle. Eben noch hatte Erleichterung sie durchflutet, weil sie endlich dem Berg entkommen waren. Doch schon beim nächsten Schritt spannte sich ihr ganzer Körper an. Das Unbehagen traf sie noch kälter als die Woge frischer Nachtluft.
    Gefahr … wieder lag Gefahr in der Luft … noch größer, noch unmittelbarer als die, die sie schon vorhin gefühlt hatte …
    Ihre Hand begann zu zittern, ihre Beine zuckten unkontrolliert. Sie stieß einen Stuhl um, und das Krachen ließ sie zusammenfahren.
    Vorhin hatte sie geglaubt, Nathans und auch Caspars Präsenz wahrzunehmen. Nun fühlte sie erneut, dass jemand in der Nähe war, doch es war unmöglich auszumachen, wer. Eine Macht ging von ihm aus, so stark, so absolut.
    Mia war ihr Zittern entgangen.
    »Los!«, rief sie. »Wir müssen hoch zu diesen Luken. Sie sind nicht groß, aber irgendwie müssen wir durchklettern. Beeil dich!«
    Aurora blieb stocksteif stehen, ihr Herz schlug laut und schwer. Sie sah Mia auf eine der Luken zulaufen, wusste aber, dass es sinnlos war. Sie würden hier nicht hinauskommen, nicht unbemerkt. Langsam, ganz langsam stellten sich ihre Nackenhärchen auf, Kälte rieselte über ihren Rücken. Sie wusste – jemand stand hinter ihr, stand schon die ganze Zeit über dort und starrte sie an. Sie drehte sich um, nicht sicher, wer diese Regung bewirkte – ihr eigener Wille … oder seiner.
    Auch Mia bemerkte nun diese Gestalt und erstarrte. Sie schrie auf, doch noch lauter als ihr Schrei war das Klirren des Schwertes, das Aurora entglitt.
    Vor ihr stand ein Nephil, und anders als sie hielt er sein Schwert fest umklammert. Sie wusste: Er würde die Waffe ungleich fester und sicherer führen können als sie – er hatte es heute schon einmal getan: Die Klinge seines Schwertes war über und über mit dem blauen Blut der Nephilim beschmiert.

XI.
    Ein Schrei hallte von allen Seiten wider. Erst nach einer Weile begriff ich, dass ich es war, die aufgeschrien hatte, nachdem ich diesen reglosen Menschen … dieses reglose Wesen gesehen hatte.
    »Was … was …«, stammelte Lukas nicht minder verwirrt.
    Beinahe war er über dieses dunkle, schwere Hindernis gestolpert …
    Wer immer hier lag – er atmete nicht, keuchte nicht, stöhnte nicht.
    Lukas’ Hand zitterte, als er die Taschenlampe hob, sie auf den Toten richtete, ja, jetzt war ich mir sicher, dass dieses Wesen hier

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