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Der Fluch der Abendröte. Roman

Der Fluch der Abendröte. Roman

Titel: Der Fluch der Abendröte. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leah Cohn
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Blick fiel auf die Uhr, beobachtete den Zeiger. Acht Uhr. Neun Uhr.
    Aurora war jetzt längst in der Schule, hatte schon die zweite Stunde.
    Und Nathan war immer noch nicht zurück.
    Ich ertrug es nicht länger, stillzusitzen, sprang auf, zog mich an und ging vom Wohnzimmer aus in den Garten. Alles sah unverändert aus – die Gartenmöbel, die Pergola, der Rechen, der an die Hauswand gelehnt stand. Die Wiese war mit Laub bedeckt.
    Eine weitere Stunde verging, von Nathan keine Spur. Ich verließ das Haus, stapfte ein paar Schritte unsicher Richtung Forststraße, kehrte aber schnell wieder zurück, weil es mir sinnlos erschien, ihn im Wald zu suchen. Erst jetzt wagte ich es, hoch zu Caspars Anwesen zu blicken.
    Doch auch dort – nichts. Kein Lebenszeichen. Es war absolut ruhig. Morgendunst stieg vom Boden auf, erreichte die Baumkronen, schien dort festzuhängen. Später, ich starrte immer noch auf das Anwesen, zog Wind auf und vertrieb den Dunst, doch die Luft war anschließend nicht klar und frisch, sondern schwül und stickig.
    »Wo bist du, Nathan, wo bist du? Du kannst doch nicht ausgerechnet jetzt verschwinden, wo Aurora … sich verändert!« Ich merkte erst nach einer Weile, dass ich die Worte laut ausgesprochen hatte. Eine Antwort bekam ich nicht.
    Eine Weile ging ich unruhig vor der Villa auf und ab, dann eilte ich die Straße hinunter, kam am Wald vorbei bis zu Lukas’ Haus und sah erleichtert, dass sein Auto davor parkte.
    Er hatte unregelmäßige Arbeitszeiten, war oft am Wochenende im Einsatz und hatte dafür an manchem normalen Arbeitstag frei. Eben war er mit Gartenarbeit beschäftigt – offenbar grub er verwitterte Rosenbüsche aus –, denn seine Hände waren voller Erde. Als er mich sah, legte er die Harke beiseite und erhob sich.
    »Sophie!«
    Seine Stimme war freundlich und warm und belebte mich. Ich kämpfte um ein Lächeln. »Spaziergang?«, fragte er schlicht.
    »Wie bitte?«, entfuhr es mir.
    »Ob du einen Spaziergang machst, wollte ich wissen?«
    »Ach so … ja …« Ihm entging nicht, dass irgendetwas mich zutiefst verstörte.
    »Hast du Sorgen? Ist etwas passiert?«
    »Nathan, er …«
    Ich brach ab.
    Er hat mitten in der Nacht das Haus verlassen, wollte ich sagen, aber das konnte ich nicht. Lukas würde es nicht verstehen – weder warum Nathan gegangen war, noch warum es mich derart beunruhigte. Nicht, dass es bei einem normalen Mann nicht auch besorgniserregend gewesen wäre. Aber dieses Gefühl von Bedrohung, von Gefahr, rührte davon, dass Nathan ein Nephil war.
    »Sophie …«, setzte Lukas wieder an und klang aufrichtig besorgt.
    Ich kämpfte wieder um ein Lächeln. »Es ist alles in Ordnung. Es war gestern ein wirklich schöner Abend.«
    »Willst du hereinkommen? Auf einen Kaffee?«
    Meine erste Regung war, die Einladung abzulehnen, doch ich zögerte: Ich konnte ohnehin nichts anderes tun, als sinnlos auf- und abzulaufen. Bei Lukas könnte ich hingegen etwas Zeit totschlagen, mich von meinen Gedanken an Aurora ablenken – und vielleicht würde Nathan schon wieder zu Hause sein, wenn ich später zurückkehrte.
    Ich nickte. Lukas öffnete die Gartentür. Ich trat auf ihn zu und wusste später nicht mehr, was mich dann bewogen hatte, mich noch einmal umzudrehen – vielleicht ein Windstoß, vielleicht eine Regung im Augenwinkel. Instinktiv blickte ich erneut hoch zu Caspars Anwesen. Es wirkte von dieser Perspektive aus fremd, die Hecke höher, die raumhohen Fenster niedriger. Und dennoch, auch von hier aus sah man ihn ganz genau: den Mann, der hinter dem Fenster stand und in meine Richtung starrte. Den Mann mit schwarzem Mantel, zurückgekämmten Haaren und spöttischem – ja, ich war mir sicher –, spöttischem und bösartigem Blick.

    Ich schlug mir die Hand vor den Mund, doch das dämpfte den entsetzten Aufschrei kaum. In meinen Ohren klang er markerschütternd, und auch Lukas, der eben die Haustüre geöffnet hatte, hielt erschrocken inne und folgte meinem Blick.
    Der dunkelgekleidete Mann stand immer noch dort. Und er starrte mich immer noch an. Auch wenn man aus dieser Entfernung nicht erkennen konnte, welche Farbe seine Augen hatten, so war ich sicher, dass sie schwarz waren.
    »Du … du siehst ihn auch, nicht wahr?«, stammelte ich.
    Lukas runzelte die Stirn, doch seine Anspannung ließ merklich nach.
    »Schon merkwürdig«, murmelte er. Ich fuhr herum, blickte ihn überrascht an.
    »Merkwürdig?«, fragte ich.
    Nun lächelte Lukas auch noch. »Kein Wunder, dass

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