Der Fluch der Druidin
eine schwierige Aufgabe wäre, der sie sich stellte. Eine, die ihr Kraft und Willen abforderten anstatt der warmen Leichtigkeit von früher. Es mussten die Erschöpfung und Anspannung sein, überlegte er. Sumelis’ Gabe war an ihre eigene Gefühlswelt und Kraft gebunden: Ruhe gebar sich nur aus ihrer Ruhe, Hoffnung einzig aus ihrer Hoffnung. Beides hatte Sumelis einst im Überschuss besessen.
Was hatten sie ihr angetan?
Gegen was auch immer Sumelis anzukämpfen hatte, sie setzte sich jedenfalls durch. Der Krieger bebte kurz, dann, nachdem Sumelis ihre zitternden Finger zurückgezogen hatte, starrte er sie mit einem Ausdruck an, den Atharic nur zu gut kannte. Der Posten musste sich räuspern, um sprechen zu können.
»Ich danke Euch, Herrin«, krächzte er schließlich, noch immer diesen staunend ehrfürchtigen Ausdruck im Gesicht. »Möge Wodan über Eurem Pfad wachen und Eurem Herzen ewig die Güte nachschenken, die Ihr heute mit mir geteilt habt!«
Sumelis lächelte ihm schwach zu. Atharic las Erleichterung auf ihren mondhellen Zügen, ohne selbst erfassen zu können, auf was sich diese bezog. Er grüßte den Mann noch einmal, welcher ihn kaum mehr beachtete, sondern sich unter Verbeugungen vor Sumelis zurückzog. Wenig später verblasste der Schein des Kimbernlagers in ihrem Rücken, die Geräusche erstarben. Vor ihnen wartete die von keinem Kimbern beherrschte Nacht darauf, sie aufzunehmen und in ihrem schützenden Mantel verschwinden zu lassen. Die Dunkelheit – und Nando.
»Sie schläft noch.« Talia sprach gedämpft, obwohl der Stall, in dem Sumelis ruhte, außer Hörweite lag. »Sie war aber kurz wach. Sie hat den Getreidebrei gegessen. Ganz.«
»Das ist gut.« Atharic pulte einen Wurm aus seinem angebissenen Apfel und warf ihn beiseite. »Sie ist so mager geworden! Auf dem Ritt hierher war sie sehr schwach, obwohl sie versucht hat, es zu verbergen.«
»Ich glaube, das liegt an dem Mohnsaft, den man ihr gegeben hat. Dieser Trank, er hat sich auch auf ihre Gabe ausgewirkt. Sumelis wollte nicht darüber sprechen. Sie behauptet, es würde sich wieder legen, jetzt, wo sie von dort weg ist. Außerdem hätte ihr diese Fähigkeit sowieso nichts Gutes gebracht.«
»Was meint sie damit?«
»Ich weiß es nicht. Wie gesagt, sie wollte nicht darüber sprechen, und ich sehe keinen Grund, sie zu drängen. Wir werden schon noch alles erfahren. Wahrscheinlich sogar mehr, als uns lieb ist.«
Atharic beschattete seine Augen gegen die Sonne und blickte zu Talia hoch, die immer noch stand und unruhig von einem Fuß auf den anderen trat. »Weiß sie, dass Nando mein Sohn ist?«
»Jetzt ja.«
»Wie hat sie darauf reagiert?«
»Sie meinte, wir müssten ihm sofort folgen und es ihm sagen.« Talia verbesserte sich: »Nein, eigentlich schrie sie es. Danach hat sie nur noch geweint.«
»Kannst du ihr helfen?«
»Gegen diesen Kummer gibt es kein Mittel, Atharic. Ich glaube, sie fürchtet, Nando wird nicht zurückkommen, jetzt, wo er sie in Sicherheit wähnt.«
»Ich könnte den Jungen verprügeln!«, brach es aus Atharic heraus. »Wie konnte er einfach davonreiten, ohne ein weiteres Wort zu ihr? Was soll das?«
Seufzend ließ sich Talia neben ihrem Mann nieder. Sie saßen am Rande einer Wiese, auf der schwerbeladene Obstbäume vom einstigen Wirtschaften dieses kleinen Gehöfts zeugten: Pflaumen, Äpfel, Birnen, deren reifende Früchte Bienen, Wespen und Hummeln anlockten. Den Insekten war es egal, dass der Obstgarten das Einzige war, was von dem Gehöft noch intakt war; an allem Übrigen hatte sich das Feuer ausgetobt. Der Stall, in dem Sumelis nun schlief, war das einzige Gebäude mit einem noch weitgehend vorhandenen Dach sowie Mauern an dreieinhalb Seiten. Ein Stück weiter nördlich, nahe der Straße nach Vercellae, stand ein zweites ähnliches Gehöft, auch dieses niedergebrannt. Außer einem herumstreunenden Hund lebte dort niemand mehr.
Talia verscheuchte eine aufdringliche Fliege, während sie dem Schatten hinterherrutschte, den die Bäume warfen. Sie versagte sich, Atharic daran zu erinnern, dass der »Junge« ein Kriegsführer wie er war und es besser wäre, er würde ihn mit der Vorsicht eines Erwachsenen behandeln anstatt mit der Erinnerung an ein Band, das längst nicht mehr bestand. Dennoch ärgerte sich auch Talia über Nandos überstürzten Aufbruch und fragte sich, wann er wohl zurückkehren würde. Ob er zurückkehren würde und ob sie das wirklich hoffen sollte.
»Ich weiß, was du denkst,
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