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Der Fluch der falschen Frage

Der Fluch der falschen Frage

Titel: Der Fluch der falschen Frage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lemony Snicket
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ich bin auch nicht von hier.«
    » Tja, die Zeitung ist eingegangen, aber ich versuche immer noch, über alles auf dem Laufenden sein, was hier in der Stadt los ist. Also?«
    » Was, also?«
    » Was ist los, Snicket? Sag mir, was hier vorgeht.«
    Sie legte die Hände auf die Tasten, wie um jede meiner Aussagen sofort mitzutippen. Ihre Finger schienen es kaum erwarten zu können.
    » Heißt das, du weißt Bescheid über alles, was bei euch in der Stadt passiert?«, fragte ich.
    » Natürlich.«
    » Ganz im Ernst, Moxie?«
    » Ganz im Ernst, Snicket. Sag mir, was hier gespielt wird, dann kann ich dir vielleicht helfen.«
    Ich hörte auf, ihre Schreibmaschine anzustarren, und betrachtete stattdessen ihre Augen. Sie hatten eine interessante Farbe– ein Dunkelgrau, als wären sie ursprünglich einmal schwarz gewesen, und jemand hätte sie gewaschen, oder als hätte Moxie lange Zeit geweint. » Kann ich dir etwas erzählen, ohne dass du es aufschreibst?«, fragte ich.
    » Eine vertrauliche Information, meinst du?«
    » Eine vertrauliche Information, genau.«
    Sie griff unter die Schreibmaschine und zog einen Hebel, und das Gerät faltete sich zu einem Kasten mit Henkel zusammen, einer Art schwarzem Metallkoffer. Kein schlechter Trick. » Nämlich?«
    Ich sah die Stufen hinunter, ob auch wirklich niemand mithörte. » Ich versuche ein Rätsel zu lösen«, sagte ich, » das mit der Bordunbestie zu tun hat.«
    » Dem Fabelwesen?«
    » Nein, einer Statue davon.«
    » Dieser olle Plunder?«, sagte sie mit einem Lachen. » Komm mit.«
    Sie stand auf und lief die Wendeltreppe hoch, wobei ihre Schuhe die Art Gepolter veranstalteten, das Mütter mit Migräne ins Bett treibt. Ich folgte ihr ein paar Windungen hinauf in einen großen Raum mit hohen Wänden und fast ebenso hohen Bergen von Gerümpel. Hier und da standen große, verstaubte Maschinen, deren Kurbeln zottlig waren von Spinnweben und deren Knöpfe seit Jahren niemand mehr gedrückt hatte. Auf Tischen waren Stühle übereinandergestapelt, unter Schreibpulten türmten sich Papierbündel. Alles zeugte davon, dass hier einmal reger Betrieb geherrscht hatte, aber jetzt waren Moxie und ich ganz allein da, und all die Betriebsamkeit war nur noch ein Geist.
    » Das ist die Nachrichtenredaktion«, sagte sie. » Der Schwarze Leuchtturm arbeitete an vorderster Front, Tag und Nacht wurden Artikel verfasst, und hier schlug das Herz des Ganzen. Wir haben die Fotos im Keller entwickelt, und die Reporter haben ihre Artikel oben im Funkraum getippt. Gedruckt wurde mit fangfrisch gewonnener Tinte, und zum Trocknen hängten wir die Seiten an der langen Trosse auf, die gleich hier beim Fenster losgeht.«
    » Trosse?«, fragte ich, und sie polterte zum Fenster und öffnete es. Draußen, hoch über den Baumwipfeln, zog sich ein langes, dickes Kabel hügelabwärts bis zu den erleuchteten Fenstern des Herrenhauses, von dem wir eben kamen.
    » Sieht aus, als würde es direkt zu dem Haus von Mrs Sallis gehen«, sagte ich.
    » Die Mallahans und die Sallis’ sind seit Generationen befreundet«, sagte Moxie. » Unser Wasser kam aus ihrem Brunnen, und unsere Wissenschafts- und Gartenreporter haben auf ihrem Gelände ihre Studien durchgeführt. Unser Redakteur hatte sich bei ihnen im Gästehaus eingemietet, und wir haben für ihre Mitternachts-Federball-Partys das Leuchtfeuer angeknipst. Das ist jetzt natürlich alles vo rb ei.«
    » Warum?«
    » Nicht genug Tinte«, sagte Moxie. » Die Tintenfische sind bis auf ein paar letzte Schwärme aufgebraucht. Die Stadt ist am Zerfallen, Snicket. Eine Bibliothek und eine Polizeiwache gibt es noch, und ein paar Geschäfte haben noch geöffnet, aber die Hälfte der Gebäude ist unbewohnt. Der Schwarze Leuchtturm hat den Betrieb eingestellt. Fast alle Tintenarbeiter sind entlassen worden. Der Zug verkehrt vielleicht einmal im Monat. Bald wird von Schwarz-aus-dem-Meer nichts mehr übrig sein. Meine Mutter hat einen Brief aus der Hauptstadt bekommen und eine Stelle bei einer dortigen Zeitung angeno mm en.«
    » Wann holt sie dich nach?«, fragte ich.
    Moxie sah schweigend aus dem Fenster, und ich begann zu ahnen, um wen sie geweint haben mochte. » Bald«, sagte sie mit einem Seufzer, der mir klarmachte, dass ich besser nicht gefragt hätte.
    » Die Bordunbestie«, erinnerte ich sie.
    » Ach, richtig«, sagte sie und ging hinüber zu einem Tisch, der mit einem Laken verdeckt war. » Die Bordunbestie war sozusagen das Maskottchen der Zeitung. Ihr Körper bildete das

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