Der Fluch der Halblinge
enttäuscht, so seltsam das auch anmuten mochte. Wenn Blaufrost da war, gab es meistens etwas zu lachen. Die direkte, derbe Art des Trolls hatte etwas für sich; am besten war er, wenn er Schwänke aus seiner Jugendzeit zum Besten gab. Meistens waren sie nicht sehr appetitlich, aber Blaufrost konnte einfach gut erzählen. Und er erkundigte sich immer nach Fionns Befinden. Spaßeshalber schnupperte er an Fionns Armen, ob er »denn schon reif sei« für eine »gelungene Vorspeise«, und er hielt auch nicht mit guten Ratschlägen an Tuagh hinter dem Berg: »Du machst das völlig falsch mit deiner Zauderei. Draufschlagen und Schluss. Wer dann noch das Maul aufmachen kann, is’ ’ner Diskussion würdich. Na ja, vielleicht wirste’s mal irgendwann lernen.«
Den Elben riet er nur, in Deckung zu gehen, wenn er mal richtig tief einatmete, und erst recht, wenn er dann wieder ausatmete.
»Nur zu gern bei deinem Mundgeruch«, bemerkte Morcant dann.
Wie anders die Stimmung war, wenn der Troll nicht neben ihnen saß. Die Gemeinschaft unterhielt sich nur wenig; selbst die Zwillinge hatten sich nicht immer etwas zu erzählen und jeder blieb die meiste Zeit für sich. Manchmal sang Morcant oder zupfte auf seiner Lyra. Fionn war ein wenig verwundert, weil er geglaubt hatte, dass seine Reisegefährten einander vertrauter, wenn nicht inniger verbunden wären, doch das schien gar nicht der Fall zu sein.
Er fasste sich ein Herz und drehte sich zu Valnir Eisenblut, der nicht weit entfernt von ihm lagerte. »Sind alle Zwerge so schweigsam, Valnir?«
»Was braucht’s denn viele Worte?«, brummte der schwarzhaarige Zwerg.
»Es ist, als wärt ihr einander fremd.«
»Du meinst uns hier?«
»Ja … ich habe mir unter einer Gemeinschaft wie der Fiandur etwas ganz anderes vorgestellt …«
»Du bist jung und unwissend«, unterbrach Valnir. »Jeder hier kann sich auf den anderen verlassen. Ich gäbe mein Leben für die anderen ebenso wie sie für mich. Dich eingeschlossen. Warum muss ich darüber sprechen? Bogins reden gern. Sie sind Schwätzer. Aber sagen sie auch viel?«
Fionn schwieg gekränkt. Er fand durchaus, dass Bogins etwas zu sagen hatten und es auch in gute Worte zu kleiden vermochten. Und es war gewiss nichts Schlechtes daran, viele Fragen zu haben oder sich mit anderen austauschen zu wollen. Als er mit Tuagh allein unterwegs gewesen war, hatten sie sich jedenfalls mehr unterhalten, als nun die gesamte Gemeinschaft.
»Die Elben«, sagte Valnir schließlich, »tauschen sich sehr viel über Gesten aus und über Gedanken.«
»Sie können Gedankenlesen?«, fragte Fionn schockiert und vergaß ganz, den Beleidigten zu spielen.
»Nein, es ist mehr ein … Fühlen . Sie sind mit ihrer Welt sehr innig verbunden und spüren , was geschieht. Deswegen sind sie auch so schnell und den Menschen im Kampf überlegen. Die Menschen wiederum machen das durch Masse und Durchhaltevermögen wett. Sie sind annähernd so mitteilsam wie Bogins; von einigen Ausnahmen abgesehen – zu denen Tuagh gehört. Aber wer die meiste Zeit allein reist, verlernt entweder die allgemeine Unterhaltung, oder er spricht mit sich selbst. Und wir Zwerge …« Valnir zog die Decke um sich. »Wir lachen und tanzen und feiern gern. Aber außerhalb unserer Reiche, besonders in einem weiten Land wie diesem, schweigen wir besser, um zu lauschen. Unsere Augen sehen nicht so gut, dafür aber hören unsere Ohren umso besser. Ich höre also zu.« Nach dieser langen Erklärung drehte Valnir sich um und atmete kurz darauf tief und regelmäßig. Er schnarchte gar nicht, entgegen Fionns Erwartungen.
Der junge Bogin warf einen Blick zu Tuagh, der still und einsam Wache hielt. Die Elben bewegten sich kaum, obwohl sie sich noch nicht hingelegt hatten. Ihre Augen schimmerten leicht in der Dunkelheit, und ihre schlanken Gestalten schienen von einem leichten Glanz umgeben zu sein. Vor allem bei Màni war es auffällig, und es wunderte ihn nicht, dass sie den Namen »die Mondin« trug. Als wäre sie vom Himmel herabgestiegen.
Wenn seine Freunde das nur wüssten! Und die Kinder. Und alle anderen auch. Fionn reiste mit Elben, mit Hochelben noch dazu! Das war ein Märchen für sich. Wenn nur der Anlass der Reise ein anderer gewesen wäre …
»Auf!«, rief Màr in der Früh. Fionn hätte sich nicht gewundert, wenn ihre Haare sich in Federn und ihre Arme in Flügel verwandelt hätten, so leichtfüßig kam sie heran, ja, schwebte sie. Elegant und hell wie eine Möwe über dem Meer.
Es
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