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Der Fluch der Halblinge

Der Fluch der Halblinge

Titel: Der Fluch der Halblinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Prisca Burrows
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mochten, schritten vorneweg und verharrten in vier Schritten Abstand vor einander.
    Der eine fragte den anderen, ob er dessen Flussrechte und die Aufteilung anerkenne, und der andere verneinte. Daraufhin fingen sie an zu verhandeln, baten zunächst um Vernunft, beschimpften sich schließlich und wurden zuletzt handgreiflich. Das war das Zeichen für die übrigen, laut schreiend loszustürmen. Sie prallten heftig aufeinander, verklammerten sich ineinander und rangen miteinander. Sie schoben sich hin und her, stöhnten und keuchten.
    Fionn sah verblüfft, dass keiner seine Waffe zog. »Worum geht es hier genau?«, fragte er den Dorfschulze, der ruhig dabeistand und eine Pfeife rauchte. »Vorhin noch hörte ich sie prahlen, wie viele Köpfe sie abschlagen und aufspießen würden.«
    »Das wäre schön dumm, wenn sie es wirklich täten«, antwortete der Mann. »Es gibt genug Feinde um uns herum. Das Leben ist hart, wir brauchen jeden Mann. Dennoch ist das hier ein ernster Kampf, Junge. Es geht darum, wer das Recht am oberen Flusslauf erwirbt, und gleichzeitig wird auch der Thingmann in seiner Position bestätigt. Das alles gilt für ein Jahr. Die beiden Thingmänner halten ihre Stellung nun schon fünf Jahre, und ich denke, nächstes Jahr werden zwei andere antreten, weil die beiden dort nicht mehr so stark und durchsetzungsfähig sind wie früher. Dennoch müssen sie alles geben. Wer den oberen Flusslauf gewinnt, hat die reicheren Pfründe. Es gab Zeiten, da haben wir uns tatsächlich bekriegt und immer Tote zu beklagen gehabt, doch mit diesem Ringkampf hier haben wir eine bessere Lösung gefunden. Mal wird auf unserer Seite gekämpft, mal drüben. Wir wechseln uns jedes Jahr ab.«
    »Ist es schon vorgekommen, dass eine Seite die Niederlage nicht akzeptiert hat?«
    »Das wäre ebenfalls dumm. Alle sind bewaffnet. Wenige würden dann noch vom Feld gehen. Beide Dörfer wären vom Klagen der Frauen erfüllt, verwaist und müssten verlassen werden. Das will keiner von uns.«
    Der Kampf währte tatsächlich Stunden, und beide Seiten zeigten sich unnachgiebig. Auch wenn sie ohne Waffen kämpften, richteten Fäuste und Füße erheblichen Schaden an, und ab und zu auch die Zähne. Die meisten bluteten, der Schweiß floss in Strömen, vor allem die Gesichter zeigten viele dunkle Verfärbungen und Schwellungen. Einige hatten schon wegen gebrochener Gliedmaßen aufgeben müssen, doch weiterhin stand kein Sieger fest. Das Glück wogte hin und her und konnte sich nicht entscheiden.
    Auch die beiden Thingmänner kämpften noch hart um ihren Stand. Würde einer von beiden Zurückhaltung zeigen, würde es als Schwäche ausgelegt, und er würde auf der Stelle abgesetzt; diese Schmach wollte sich keiner antun. Also konnten sie nicht nachgeben.
    Bis es dem Thingmann des Westdorfes gelang, seinen Gegner in den Schwitzkasten zu nehmen und ihn nicht mehr herauszulassen. So sehr der andere sich auch wehrte, die Luft wurde ihm immer weiter abgeschnürt und sein Gesicht lief bereits blau an. Dann brach er in die Knie. Der Thingmann des Westdorfes hielt ihn weiterhin, und Fionn befürchtete schon, dass es den ersten Toten geben würde. Da gab der Unterlegene endlich das Zeichen zur Aufgabe; so weit ließ er es denn doch nicht kommen.
    Der Thingmann gab ihn sofort frei und rief laut und dröhnend den Sieg aus. Daraufhin ließen auch die anderen Kämpfer auf der Stelle voneinander ab, und dann geschah das Erstaunlichste. Wer sich gerade noch bis aufs Blut bekämpft hatte, half sich gegenseitig auf die Beine, klopfte sich den Staub von den Schultern, stützte sich beim Verlassen des Feldes.
    Heiler und Heilerinnen erwarteten sie bereits, versorgten ihre Wunden, und der Dorfvorstand karrte Bierfässer herbei, aus denen es bald reichlich floss. Schon nach kurzer Zeit lachten die vorherigen Rivalen und stießen miteinander an. Die Sieger waren überglücklich, die Unterlegenen trugen es mit Fassung und schworen, im nächsten Jahr an der Reihe zu sein.
    Tuagh, Fionn und die anderen wurden eingeladen, am Festgelage der beiden Dörfer teilzunehmen, was sie gern annahmen. Es war nicht falsch, ordentlich Kräfte zu sammeln für den bevorstehenden Weg. Ihr Vorhaben hatte sich inzwischen herumgesprochen, und niemand neidete es ihnen. Viele glaubten, ihnen guten Rat geben zu können.
    Fionn konnte diesem Teil der Reise bisher nichts Schlechtes abgewinnen; doch er konnte sich ebenfalls des Eindrucks nicht erwehren, dass Tuagh etwas ganz Bestimmtes damit

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