Der Fluch der Halblinge
sich« und hegten keine Vorurteile gegenüber dem anderen, wie es überall sonst der Fall war. Der Wanderkrieger gab deshalb bereitwillig Auskunft. Fionn wusste, dass Tuagh niemals unbedacht reden würde.
»Nach Clahadus.«
Die Augen des Mannes weiteten sich leicht. »Ihr alle?« Er pfiff leise durch die Zähne. »Da habt ihr euch was vorgenommen – und mehr will ich bitte nicht wissen.« Es schüttelte ihn sichtlich. »Clahadus – wie scheußlich. Aber einen Rat habe ich. Solltet ihr nach Plowoni wollen, und mehr fällt mir nicht ein, wohin man sonst in diesem wüsten Land wollen sollte, so nehmt ihr am besten die Nordostroute, und zwar auf den Hufwegen. Dann spart ihr mindestens zwei Tage verfluchte Ödnis ein und verbessert eure Aussichten, lebend dort anzukommen.«
»Mein lieber Freund«, wandte Tuagh ein, »diese Route ist mir bekannt. Sie führt durch Ogerland.«
Das ließ Fionn erstarren, und auch die Elben zeigten eine leichte Verwunderung.
»Ich habe nicht gesagt, dass sie mit Rosenblättern ihren Boden bedecken«, erwiderte der Dorfvorstand. »Doch du solltest abwägen, was schwerer wiegt: Der Fluch der Ödnis oder die Oger.«
»Oger sind des Tags unterwegs – und des Nachts.«
»Schon, schon, aber wenn ihr euch still und unauffällig verhaltet und auf dem schmalen Pfad bleibt, solltet ihr unbehelligt bleiben. Es würde den Ogern einen Haufen Ärger einbringen, jemanden zu verspeisen, der möglicherweise ein Bote der Àrdbéana ist, und das wissen sie. Der Pfad gilt gewissermaßen als neutrales Gebiet. Verlasst ihn nicht, und die Oger fühlen sich nicht belästigt.«
Valnir kam zurück. »Es ist alles klar.« Finster starrte er den Mann an. »Deine Frau sollte als Steuereintreiber arbeiten! Sie versteht es, anderen noch das Letzte aus dem Säckel zu ziehen.«
»Deshalb übernimmt ja auch sie die Geschäfte. Ich bin viel zu gutmütig.« Der Dorfschulze grinste. »Aber jetzt kommt, ich zeige euch eure Zimmer.«
Fionn kam es beinahe wie der letzte Tag vor der Hinrichtung vor, wenn dem Verurteilten noch etwas Gutes zugestanden wurde – so einladend war das Bett. Und so ähnlich war es wohl auch – morgen ging es ins Ogerland, und danach in ein Gebiet, das jeder, der bei Verstand war, mied. Er wusch sich und ging nach unten, wo die übrigen Gefährten bereits versammelt waren. Fionn sagte schon der Duft, dass das Essen vorzüglich war, und das Bier schäumte golden im gläsernen Krug.
Draußen ging es inzwischen hoch her, die jungen Männer hetzten sich gegenseitig auf und schüttelten die Fäuste gegen das Dorf auf der anderen Seite des Flusses.
»Was ist denn da los?«, wollte Morcant wissen, der immer Stoff für ein gutes Lied suchte.
»Es geht wie jedes Jahr um die Flussrechte.« Der Dorfschulze, der zugleich der Wirt war, winkte ab. »Die gehen sich regelmäßig an die Kehlen, weil jeder dem anderen vorwirft, sich Vorteile zu verschaffen.«
»Der Fluss gehört niemandem!«, entfuhr es Fionn empört. »Nur Hafren, der Herrin der Flüsse und Seen!«
»Die ist schon lange fort, mein junger Halbling, und die Menschen wollen ihren Anteil.«
»Diese Rivalitäten zwischen zwei Dörfern erlebe ich oft, und ebenso deren Wettkämpfe«, sagte Tuagh gleichmütig. »Gibt es das bei euch Elben nicht auch?«
»Allerdings«, bestätigte Morcant. »Vor allem, wenn es um Flussrechte geht.«
»Aber ein Kampf … mit Waffen …«, stammelte Fionn. »Warum muss das immer und immer so sein?«
»Ein guter Kampf ist nie zu verachten«, erklärte Valnir Eisenblut und klopfte gegen seine Axt. »Davon verstehst du nichts.«
»Allerdings nicht, und das ist gut so!«
Einer der Stalljungen stürmte herein. »Sie sind da! Es geht los!«
Und schon waren alle auf und davon.
Fionn schwankte einige Augenblicke, was er tun sollte. Doch die Neugier siegte. Vielleicht war es ja schon ein Vorgeschmack auf das, was ihn ab morgen erwartete! Und dann gewöhnte er sich besser früher als später daran. Egal, wie sehr er Gewalt und Kampf auch verabscheuen mochte, er konnte dem nicht entgehen, nachdem er das Haus seines Herrn verlassen hatte.
Die Kämpfer der Ostseite waren inzwischen eingetroffen, ebenfalls in ihre Farben gekleidet, mit Röcken und mit Federn geschmückten Hüten. Auf einem brachliegenden Feld schritten die Kontrahenten aufeinander zu, die Mienen wild entschlossen und grimmig. Bärtige Männer und Jünglinge, denen gerade der erste Flaum spross. Die jeweiligen Anführer, die schon gut an die Fünfzig sein
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