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Der Fluch der Halblinge

Der Fluch der Halblinge

Titel: Der Fluch der Halblinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Prisca Burrows
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denn damit zuhauen, und das wusste dieser unsterbliche Mistkerl ganz genau. Pirmin musste es sich gefallen lassen, in die Schranken gewiesen zu werden; der Elb wusste das Recht auf seiner Seite, sonst würde er nicht so handeln. Alles andere wäre Hochverrat gleichgekommen, aber da er offenbar nicht vorhatte, die Àrdbéana zu stürzen, diente er ihr auf die Weise, die er für die Richtige hielt. Und die Befugnis dazu hatte er vermutlich; das würde letztendlich ein Gespräch mit der Àrdbéana zeigen. Falls sie ansprechbar war, sie war inzwischen sehr geschwächt, und der Oberste Haushofmeister durfte höchstens einmal am Tag zu ihr.
    »Ich verstehe es trotzdem nicht«, beharrte Pirmin. »Was kann an den Bogins so gefährlich sein, dass ich sie nicht einmal sehen darf?«
    »Nicht an den Bogins, werter Oberster Haushofmeister, sondern an dem, was möglicherweise mit Euch dorthinunter schreitet. Versteht mich nicht falsch, ich unterstelle Euch kein Doppelspiel. Aber die Halblinge müssen unter allen Umständen geschützt werden, vor allen äußeren Einflüssen. Die Àrdbéana sieht schreckliche Dinge voraus, eine düstere Gefahr. Wir müssen herausfinden, inwieweit die Bogins darin verwickelt sind; ob sie nur Opfer oder vielleicht auch Täter sind – unwissentlich, natürlich. Jedem von uns ist bekannt, dass diese sanften Geschöpfe niemals in der Lage wären, anderen Böses zuzufügen. Dennoch hat es einen Mord gegeben, und wer weiß, was darauf folgt.«
    Tiarnan machte eine endgültig abweisende Geste, und Pirmin gehorchte. Er ging, gefolgt von seinem kleinen Schatten, der wie stets eifrig Notizen gemacht hatte, sie aber niemals kommentieren würde.
    Dennoch, das nahm Pirmin sich fest vor, würde er seiner Herrin ausführlich hiervon berichten und sie darum bitten, etwas unternehmen zu dürfen.
*
    An diese Weite musste das Boginauge sich erst gewöhnen. Es dauerte eine ganze Weile, bis Fionn die Ferne nicht mehr unscharf sah und ihm nicht mehr schwindlig wurde.
    Nachdem sie das Lager hinter sich gelassen hatten, bat er Tuagh, anhalten zu dürfen. Eine Zeitlang konnte er nur dastehen und schauen.
    Bis zum Horizont reichte das Land; aufgeteilt in sanfte Hügel, Wäldchen, Bachläufe, vor allem aber ausgedehnte Grasflächen. Zu dieser Jahreszeit waren sie braun und fleckig und schmutziggrün, aber Fionn hatte eine Ahnung davon, wie es im Frühjahr werden mochte, wenn zartes Grün hervorbrach und alles zu blühen anfing. Zu gern würde er das sehen …
    Er drehte sich um und erblickte hinter sich die hohe Heckenmauer der Stadt, und darüber hinausragende, auf Hügeln stehende Türme und Dachgiebel, und ganz hinten, im Dunst verhangen eine Ahnung des Palastes in Weiß, Grün und Gold, und von gewaltigen Ausmaßen.
    Wieder nach vorn geschaut, wohin die Straße, jetzt nur noch aus einfachen Quadersteinen bestehend, führte, erblickte er: die Unendlichkeit, so schien es ihm zumindest. Die graue Markierung zerschnitt das Grasland mittendurch, schlängelte sich Hügel hinauf, verschwand dahinter, um sich an anderer Stelle fortzusetzen.
    Wie weit mochte es bis zum Horizont sein? Eine Stunde? Ein Tag? Eine Woche? Fionn konnte es in seiner Unerfahrenheit nicht abschätzen, und so langsam begriff er, was Tuagh mit seinen Andeutungen auf die Frage, wie lange sie nach Uskafeld brauchten, gemeint hatte.
    Schwindel und Kopfschmerz nahmen zu, und er musste sich setzen.
    »Das vergeht bald«, versprach Tuagh. »Du wirst dich schneller daran gewöhnen als es dir jetzt vorkommt.«
    »Das wird immer unvorstellbarer für mich«, sagte Fionn und rieb sich die Stirn. »Und ich verstehe jetzt, warum.« Ihm war nach Weinen zumute. »Und da nennst du uns fein heraus und verwöhnt?« Er blickte mit feuchten Augen zu Tuagh auf. »Wie klein und eng begrenzt war meine Welt?Im schönen Schein und hinter Mauern war ich gefangen, wie ein gut dressiertes Streicheltier.«
    Der Wanderkrieger setzte sich neben ihn. »Ich habe dich gewarnt.«
    »Ja, das hast du. Und ich werde erst so nach und nach verstehen, welche Tragweite deine Warnung hat. Aber sag mir: Mein Meister – Ian Wispermund, den ich sehr verehrte, und der immer unendlich gütig war – warum hat er mir das vorenthalten? Und allen anderen?«
    »Ich denke, um dich zu schützen«, antwortete Tuagh sanft. »Du solltest ihm keinen Vorwurf machen, Fionn. Auf seine Weise war er genauso gefangen wie du – er kannte es nicht anders. Er hat euch so gehalten wie sein Vater und dessen Vater vor ihm.

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