Der Fluch der Halblinge
oder Elb oder gar Nachtvolk.
»Du bist hier, dass wir die Wahrheit ergründen«, lautete die Antwort. Fionn konnte nicht feststellen, welcher der Vier gesprochen hatte. Die Stimme klang fast metallisch, mit einem unangenehmen Nachhall. Es war die einzige Stimme, die er vernehmen sollte.
»Welche Wahrheit?«
»Über den Tod von Magister Brychan. Gestehe den Mord, und du bist frei.«
Fionns Mund wurde trocken. »Ich war es nicht. Ich bin Fionn Hellhaar und …«
»Dein Name interessiert uns nicht. Nur die schändliche Tat, die du begangen hast. Die Beweise sprechen für sich.«
»Welche Beweise?«, rief Fionn. »Ich war doch selbst dort, ich habe den Leichnam gefunden, und es gab nicht den kleinsten Hinweis auf den Täter!«
»Lüge!«
Das Wort schoss wie ein Pfeil von der Bogensehne durch den Raum, brach sich an den Wänden, wurde abgestoßen, schmetterte schließlich zu Boden, und schlug gleich neben Fionn ein, der vor dem eiskalten Hauch zurückwich.
»Ich lüge nicht«, widersprach er zaghaft. Seine Kehle schnürte sich vor Angst zu. Er war diesen Unheimlichen hilflos ausgeliefert. Warum nur, warum war er fortgelaufen? Tuagh würde nie erfahren, was mit ihm geschehen war, und damit auch nicht Meister Ian.
»Warum bist du dann geflohen?«
»Es war, weil ich … weil …« Fionn biss sich auf die Lippe. »Ich musste fort«, sagte er dann.
»Noch einmal: Warum?«
»Sie haben alle verhaftet! Ich hatte Angst.«
»Widerspruch!«
Fionn wand sich, er wusste nicht mehr ein noch aus. Schließlich entschloss er sich zu einem mutigen Schritt. »Ich muss euch gar nichts sagen.«
Diese Entscheidung bereute er sogleich und machte sich noch kleiner, als er ohnehin schon war, denn die Gestalten rückten ihm daraufhin bedrohlich nahe.
Der Sprecher zischte.
»Du wirst, närrischer Bogin. Du wirst.«
Sie packten ihn, bevor er aufschreien konnte, und rissen ihm die Kleidung vom Leib, ließen ihm nichts mehr außer seiner bloßen Haut. Sie trugen lederne Handschuhe, sodass er ihre Hände nicht erkennen konnte, und ihre Griffe waren gezielt und sicher. Als hätten sie so etwas schon sehr oft getan.
»Nicht den Urram!«, flehte Fionn, als einer der Vier sein Messer zog und hochhielt.
»Glaubst du, wir überlassen dir eine Waffe?«, schnarrte der Sprecher.
»Der Urram ist von ritueller Bedeutung, er ist mein Name, mein Ich … «
»Du kannst damit jemanden angreifen und erstechen, genau wie es geschehen ist, und vermutlich mit diesem Messer. Wir benötigen es damit für die Untersuchung. Außerdem wirst du dich der Gerichtsbarkeit stellen und dich nicht etwa deiner Verantwortung entziehen, indem du dich selbst entleibst.«
Daran würde Fionn niemals denken, ein absurder Gedanke. »Gerichtsbarkeit? Wird die Àrdbéana Gericht halten über mich?«
»Bist du etwa ein Adliger oder gar ein König?« Die Stimme troff vor Hohn.
»Das kann ich nicht sein, ich bin ein Bogin, wie euch bekannt ist.«
»Nun denn, was stellst du dumme Fragen?«
»Aber die Àrdbéana hat das Oberste Gesetz geschaffen, das auch die Bogins beschützt! Damit falle ich unter ihre Gerichtsbarkeit!«
»Dir steht keine Gerichtsbarkeit zu. Das Gesetz schützt nur gehorsame Bogins, die alle Vorschriften einhalten. Du bist ein Sklave, du besitzt keine Rechte, und durch den Mord hast du zudem den Anspruch auf den Schutz durch das Oberste Gesetz verloren. Also berufe dich nicht auf etwas, das du mit Füßen getreten hast!«
Fionn stemmte sich auf die Knie und nahm eine unterwürfige Haltung ein. »Aber ich bin unschuldig«, schluchzte er. »Bitte glaubt mir doch!«
»Das sagen sie alle.«
Und damit ließen sie ihn allein.
Fionn schlang die Arme um seinen nackten, schutzlosen Körper; sie hatten ihm nichts dagelassen, womit er sich bedecken und wenigstens ein bisschen warmhalten könnte. Fassungslos und verzweifelt kroch er in eine Ecke des feuchten, kalten Raumes, um ein wenig Schutz zu spüren.
Er konnte sich nicht erklären, was da mit ihm geschah. Wie waren sie nur auf ihn gekommen? Hatten sie seine Spur etwa doch längst aufgenommen und auf eine günstige Gelegenheit gewartet, wenn Tuagh nicht bei ihm war? Aber sie waren zu Viert, wenn nicht mehr, sie hätten auch so angreifen können! Oder hatte der Zwerg ihn gestern Abend noch verraten, und sie hatten das Haus beobachtet, und Fionn hatte sich ihnen selbst in die Hände gegeben? Aber wer waren sie? Wieso glaubten sie, dass er den Mord begangen hatte? Oder hatten sie noch mehr Bogins gefangen
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