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Der Fluch der Hebamme

Titel: Der Fluch der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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schicken, der unauffällig Erkundigungen einholt. Es ist einfach zu gefährlich, wenn du in der Gegend herumreist.«
    »Nein!«, widersprach Lukas hart. »Ich muss sie suchen! Ich habe mich selbst in Sicherheit gebracht und sie im Stich gelassen. Jetzt kann ich mich nicht einfach hier ausruhen und warten, dass ein Wunder geschieht.«
    »Das ist das Dümmste, was ich je von dir gehört habe!«, hielt Raimund ihm ebenso hart vor. »Du hilfst ihr nicht, indem du dich totschlagen lässt. Wenn sie überhaupt noch lebt – was Gott bewirken möge.«
    Eine Weile sagte niemand von ihnen etwas. Das Kreischen eines Eichelhähers und das Hämmern eines Spechtes waren die einzigen Geräusche.
    »Ich wage es ja kaum zu hoffen, dass sie noch lebt«, gab Lukas schließlich gequält zu. »Aber bevor ich nicht Gewissheit habe, werde ich das Land nicht verlassen. Und jetzt kann ich nicht nach Weißenfels gehen – damit bringe ich nur die Kinder in Gefahr. Wenn du mir wirklich helfen willst, dann nimm meinen Fuchshengst mit und bring mir dafür ein unauffälliges, zuverlässiges Pferd. Sachen zum Verkleiden habe ich bei mir, um mich unerkannt einer Siedlung zu nähern. Und ich sollte mir vielleicht den Bart abnehmen lassen.«
    »Wir kommen übermorgen wieder, mit einem anderen Pferd und Rasierzeug«, versprach Raimund. »So lange bleibst du hier und siehst zu, dass du dich einigermaßen von den Verletzungen erholst.«
    »Morgen, nicht übermorgen! Kommt morgen wieder!«, bat Lukas beinahe flehentlich. »Ich kann es nicht ertragen, hier herumzusitzen und nichts zu tun, während ich nicht weiß, was mit meiner Frau ist!«
     
    Von der Hütte des Wilden Mannes aus ritt Lukas am nächsten Tag zu seinem jüngeren Bruder Jakob. Sie galten als verfeindet, seit der Jüngere an Lukas’ Stelle das Erbe ihres Vaters zugesprochen bekam, nachdem Lukas das Mädchen zurückgewiesen hatte, das sein Vater ihm zugedacht hatte. Mit dieser Hochzeit hatte der Vater ein Bündnis mit dem mächtigen Nachbarn schließen wollen. Doch Lukas konnte der ungeliebten Braut nicht verzeihen, dass sie Marthe dem Kirchengericht ausgeliefert hatte, und verzichtete lieber auf das Erbe, als eine Verräterin zu heiraten.
    In Wirklichkeit waren er und sein Bruder eher unsichere Verbündete. Ganz und gar wollte er seinem Bruder nicht trauen. In harten Zeiten, wie sie jetzt angebrochen waren, würde der Jüngere vermutlich versuchen, sich aus allem herauszuhalten.
    Doch jetzt war nicht die Zeit für Bedenken. Lukas hatte nichts zu verlieren außer seinem Leben, an dem ihm momentan nicht übermäßig viel lag. Vielleicht hatte Marthe ja bei Jakob Zuflucht gesucht, gerade weil niemand sie bei dem Schwager vermutete, der so betont Abstand von seinem Bruder hielt.
    Dennoch ritt er nicht geradewegs auf das väterliche Anwesen zu, sondern näherte sich zunächst der entlegensten Koppel, wo früher die Hengste ihr Gnadenbrot fressen konnten, die zu alt geworden waren, um noch einen Ritter in voller Rüstung zu tragen.
    Er hatte Glück: Bei den Pferden war der älteste Stallknecht, ein Mann, der ihn die ersten Male in den Sattel gehoben hatte, als er noch ein kleiner Junge war. Der Alte war der Familie treu ergeben und würde ihn sicher nicht verraten. Vermutlich wusste er nicht einmal, was in Meißen geschehen war.
    Also gab Lukas seine Deckung auf und ritt zur Koppel. Der alte Frieder blinzelte ihm entgegen – wahrscheinlich sah er mit seinen Jahren nicht mehr besonders gut – und riss die Augen auf, als er ihn erkannte. »Der junge Herr Lukas!«, rief er gerührt. Dann fiel ihm ein, dass Lukas ja nicht mehr der junge Herr war, und so fing er an zu stammeln.
    Mühsam brachte Lukas den Verwirrten dazu, sich zu beruhigen. »Bitte meinen Bruder hierher. Aber nur er, niemand sonst darf erfahren, dass ich hier bin. Ich sehe derweil nach den Pferden. Kann ich mich auf dich verlassen?«
    »Natürlich, Herr«, versicherte der Knecht eifrig und blinzelte ein paar Tränen weg. Er neigte den Kopf und sah den Sohn seines alten Herrn fragend an. »Ihr seid wieder einmal in Schwierigkeiten, nicht wahr? Wenn Ihr doch nur hören und ein bisschen vorsichtiger sein würdet!«
    »Jetzt ist nicht die Zeit für Ängstlichkeit«, sagte Lukas ohne weitere Erklärung.
    Der Alte sah ihn bekümmert an und schlurfte davon, so schnell er konnte.
    Lukas stieg ab und ging auf einen betagten Braunen zu, den er noch aus früheren Jahren kannte. Der Hengst lief ihm entgegen und lehnte freundschaftlich

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