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Der Fluch der Hebamme

Titel: Der Fluch der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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    »Sei so gut, schicke sie hierher. Ich muss mit ihr reden. Und dann geh in die Sächsstadt und sieh nach Bertha«, bat Marthe ihre Stieftochter und berichtete kurz von den schlimmen Umständen dieser Entbindung.
    Wenig später kam Clara.
    Äußerlich sah sie ihrer Mutter unverkennbar ähnlich mit dem kastanienbraunen Haar und den graugrünen Augen, auch wenn sie eine Handbreit größer als die zierliche Marthe war. Doch vom Wesen her war sie anders: weniger bedrückt, beinahe unbekümmert. Allerdings war Clara klug genug zu wissen, dass sie viele ihrer Gedanken außerhalb des Hauses vor anderen besser verbarg und sich so benahm, wie man es von ihr erwartete: sittsam, fromm und still.
    Sie musterte das Gesicht ihrer Mutter, und ihre Züge verfinsterten sich. »Es geht wohl ums Heiraten«, stellte das Mädchen beklommen fest.
    Sie fragt nicht einmal, wer der Bräutigam sein soll, dachte Marthe beunruhigt.
    »Dein Stiefvater hat bereits entschieden, dass diese Hochzeit stattfinden wird«, sagte sie, um ihrer Tochter den Ernst der Lage zu verdeutlichen.
    Clara fragte immer noch nicht nach dem Namen. Also sprach Marthe weiter. »Ich wünschte mir von Herzen, dass du einen Mann heiratest, den du liebst. Doch anscheinend gibt es niemanden, der dein Herz erobern konnte. Wir dürfen nicht länger warten.«
    »Ist es wenigstens jemand von hier, damit ich in Freiberg bleiben kann?«, fragte das Mädchen, nun doch mit ungeduldigem Zittern in der Stimme.
    »Ja«, antwortete Marthe, und Claras Erleichterung rief in ihr ernsthafte Sorge hervor.
    Insgeheim hatte sie befürchtet, ihre Tochter könnte sich in einen der Burschen verliebt haben, mit denen sie von Kindheit an verbündet war, etwa in einen der Schmiedesöhne oder gar Peter, den einstigen Dieb. Sie durften sie nicht unter ihrem Stand verheiraten, das konnte ihr Todesurteil bedeuten.
    »Ich wusste ja immer, dass es früher oder später so kommen wird«, erklärte Clara gefasst. »Aber ich will nicht fort von hier, auf irgendein Rittergut oder – noch schlimmer – an den Meißner Hof, diese Schlangengrube. Ich will bleiben und Leute heilen.«
    Sie senkte den Kopf und verknotete die Hände. »Du … sollst wissen, dass ich einen Mann liebe, aus ganzem Herzen. Aber es ist eine Liebe ohne Hoffnung. Deshalb werde ich dem Gemahl, den ihr für mich ausgesucht habt, im besten Falle Achtung und Freundschaft entgegenbringen können, nicht mehr.«
    Dieses Eingeständnis brachte Marthe vollends aus der Fassung. Erschrocken sah sie zu ihrer Tochter.
    Bitte, lass diesen Mann keinen von Peters Bande sein; niemanden, der nicht von Stand ist!, flehte sie in Gedanken. Wenn sie sich in einen Ritter verliebt hat, in einen von Thomas’ Freunden, dann lässt sich diese ganze Angelegenheit vielleicht noch irgendwie richten …
    »Ich weiß, dass ich diesen Mann wegen seines Standes nie werde heiraten können«, sagte Clara.
    Nun machte sich Marthe auf das Schlimmste gefasst.
    »Ich liebe Dietrich von Weißenfels … Und er liebt mich …«
    »Allmächtiger!«, stöhnte Marthe, ließ sich auf die Bank sinken und legte die Hand über die Augen. Der jüngere Sohn des Markgrafen! Wieso hatte sie davon nie etwas geahnt?
    »Ist … zwischen euch etwas vorgefallen?«, fragte sie besorgt.
    »Wir haben uns unsere Gefühle gestanden. Mehr nicht. Ich bin noch … unberührt«, entgegnete Clara leise, während ihr das Blut in die Wangen schoss.
    Hin- und hergerissen zwischen Fassungslosigkeit und Mitgefühl, betrachtete Marthe ihre Tochter.
    Sie hatte bereits bei ihrem ersten Besuch auf dem Meißner Burgberg erlebt, wie gegensätzlich und zerstritten Ottos Söhne seit frühester Kindheit waren: Albrecht, ganz von der Gewissheit erfüllt, einmal die Markgrafschaft zu erben, jähzornig und hinterhältig; der damals noch durch Krankheit geschwächte Dietrich eher nachdenklich und zurückhaltend.
    Inzwischen war aus Dietrich ein gestandener junger Mann geworden, für viele der Inbegriff wahrer Ritterlichkeit, nicht zuletzt auch dank Christians Vorbild in den Jahren, als er Dietrich in seinen Haushalt aufgenommen, ausgebildet und damit vor dem Kloster bewahrt hatte. Etwas, das ihm und Marthe den inbrünstigen Hass seines Bruders Albrecht eingebracht hatte.
    Doch war es ohnehin schon undenkbar, dass ein Graf die Tochter eines einfachen Ritters heiratete, so konnte sich Dietrich solche Unüberlegtheiten gleich gar nicht leisten. Wenn er den Besitz, den ihm sein Vater zugedacht hatte, gegen

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