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Der Fluch der Hebamme

Titel: Der Fluch der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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aus einem anderen Lager die Tiere für ein paar eigene Mahlzeiten stahlen.
    Die Wachen ließen ihn durch. Langsam kam Radomir näher, der alles andere als gut genährt aussah. Thomas verspürte große Lust, sich noch einmal auf den Rücken seines Hengstes zu setzen und mit ihm eine Runde über das Land zu galoppieren. Aber abgesehen davon, dass sie dabei vermutlich beide von feindlichen Pfeilen getötet würden: Er wusste genau, dann würde er nicht fertigbringen, was er jetzt zu tun hatte.
    Trostlos legte er seinen Kopf an Radomirs, strich ihm über den Hals und redete auf ihn ein, als hätte er spannende Geschichten für ein Pferd zu erzählen. Von saftigen Weiden, von grünen Wiesen mit Butterblumen, von erfrischenden Wildbächen, Feldern mit reifem Hafer – und das alles hier im Schlamm auf dem Hügel Turon vor Akkon.
    Mit einem freundlich gesprochenen Wort brachte er das Tier dazu, sich zusammen mit ihm niederzulassen, und redete weiter beruhigend auf es ein. Dann zog er den Dolch und schnitt ihm die Halsschlagader auf. Es würgte in ihm, als er sah, wie das Tier sich aufbäumte, wie das Blut schäumend und gurgelnd aus ihm herausfloss, er weinte und flüsterte dabei immer wieder: »Es tut mir so leid, mein Freund … Aber das ist kein Ort für dich. Und ich kann nicht zusehen, dass Roland auch noch verhungert …«
    Er winkte die Wachen heran, die aus höflicher Entfernung beobachtet hatten, was er tat, ohne wirklich davon überrascht zu sein. Die meisten anderen Ritter hatten ihre Hengste längst geschlachtet, und allmählich galt es als ehrlos, sein Pferd behalten zu wollen, während die Kampfgefährten aus Mangel an Nahrung starben.
    Er befahl ihnen, den Kadaver zum Küchenmeister zu bringen. Doch er ging selbst mit. »Fleisch und Brühe sind für die Kranken bestimmt, ausnahmslos!«, wies er an. Der Küchenmeister warf einen kurzen, prüfenden Blick auf ihn, dann nickte er zustimmend. Thomas wusste, er konnte sich auf ihn verlassen.
     
    Es dämmerte schon, als Graf Dietrich zurück zu seinen Männern kam. Vom Tod des Herzogs hatte er sie bereits unterrichtet, während Thomas im Feldhospital war. In der Zwischenzeit musste er wohl bei einer Trauerzeremonie im Gebetszelt, bei einem Gespräch mit den noch lebenden Anführern gewesen sein – oder er hatte wie Thomas allein versucht, seinen Schmerz niederzukämpfen.
    Doch jemand vom Range eines Grafen würde nie irgendwo allein sein, sofern er es nicht befahl.
    Dietrich warf einen Blick auf die erschreckend kleine Runde seiner verbliebenen Männer, dann sah er Thomas prüfend in die Augen, und nach einem kurzen Zögern forderte er ihn auf, ihn in sein Zelt zu begleiten.
    Der Sohn des Meißner Markgrafen schickte alle anderen hinaus, die dort warteten, nur einen Diener wies er vorher noch an, ihm und seinem Gast einen Becher einzuschenken.
    Schweigend und stehend tranken sie jeder einen Schluck, als sie allein waren – schlammiges, brackiges Wasser, nach Marthes Ratschlägen mit einem Schuss Essig versetzt. Es war eine außergewöhnliche und doch der Lage völlig angemessene Art, so des toten Kaisersohnes zu gedenken.
    »Leopold von Österreich wird im März hier eintreffen und das deutsche Kontingent anführen, ein kampferfahrener Mann von bestem Ruf«, sagte Dietrich in das Schweigen hinein, um Thomas’ ungestellte Frage zu beantworten. Dann setzte er sich und lud Thomas mit einer Geste ein, ebenfalls Platz zu nehmen.
    »Roland, wenn er überlebt, wird dein Opfer zu schätzen wissen; ebenso die Kranken, die du nun für die nächsten Tage vor dem Verhungern bewahrst. Ich weiß, wie dir zumute sein muss. Aber dein Vater wäre stolz auf dich.«
    »Wäre er das?«, platzte Thomas heraus. Vielleicht waren es die schrecklichen Ereignisse dieses Tages, vielleicht auch der Umstand, dass Dietrich ihn mit einem vertraulichen Du ansprach, als wollte er die Stelle des Vaters bei ihm übernehmen, obwohl er dafür noch zu jung war.
    »Vielleicht sieht er auch aus dem Himmel auf uns herab und fragt uns, was wir hier zu suchen haben!«, fuhr Thomas fort, der sich nicht mehr zügeln konnte. »Es ist doch nicht zu leugnen, dass Gott nicht mehr bei uns ist. Fast alle sind gestorben, die damals vor anderthalb Jahren aufgebrochen sind … Ihre Seelen rufen mich im Schlaf und fragen, warum ich ihnen nicht geholfen habe … Und wir selbst können hier auch nur auf den Tod warten. Saladin muss nicht einmal seine Mamelucken auf uns losschicken. Er muss nur warten, bis der

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