Der Fluch der Maorifrau
möchte in Apia bleiben, denn hier sind meine Patienten. Sie stellt mich vor die Alternative: mitkommen und für das Vaterland kämpfen oder als Drückeberger auf Samoa bleiben. Wenn ich bleibe, geht sie allein. Mit den Kindern. Ach, Fräulein Kate ...« Er unterbrach sich und lächelte verlegen. »Oh, entschuldigen Sie bitte, das ist mir nur so herausgerutscht. Ich muss ja sagen: Missis McLean. Nicht alle Deutschen rasseln mit dem Säbel und rufen begeistert: ›Krieg!‹ Ich habe noch nie etwas davon gehalten. Meine Berufung ist es, das Leben der Menschen zu erhalten, nicht, es ihnen zu nehmen.«
Kate sah den jungen Doktor bewundernd an und pflichtete ihm eifrig bei. »Ich glaube auch, Sie dürfen Ihre Leute hier nicht im Stich lassen. Und ich bewundere Ihren Mut!«
»Das beruht ganz auf Gegenseitigkeit, Kate. Sie sind eine tapfere Frau! Aber lassen Sie sich einen Rat mit auf den Weg geben: Hass und Unversöhnlichkeit sind kein allein deutsches Gefühl. Erwarten Sie nicht, dass Sie in Neuseeland mit offenen Armen empfangen werden. Dort könnte man in Ihnen eine Deutsche sehen! Und die wünschen sich die Neuseeländer zurzeit nur an einen Ort: in das Gefängnis von Solmes Island!«
Kate lächelte den Arzt an. »Danke, dass Sie sich so um mich sorgen, aber ich glaube, keiner wird mich dort je als Feindin betrachten. Ich bin doch dort geboren.«
»Kate, Sie waren ein Kind, als Sie dieses Land verlassen haben, und damals befanden sich Deutschland und England nicht im Krieg«, warnte der Arzt, um dann hastig und bemüht optimistisch hinzuzufügen: »Na dann. Alles Gute!«
Da trat Loana hinzu und wandte sich besorgt an den Doktor. Eines ihrer Kinder hatte Bauchschmerzen. Brenners Jüngste, die kleine Sina, ein bezauberndes Geschöpf mit dunkler Haut und großen braunen Augen und blondem Haar. »Sie hat sich an unreifem Obst übergessen und dann Wasser getrunken«, erzählte Loana stockend.
»Sie entschuldigen mich?«, fragte Wohlrabe höflich.
Kate nickte und lächelte Loana aufmunternd zu. Sie sah den beiden nach, als sie von einem zarten Kuss in den Nacken aus ihren Gedanken gerissen wurde. Bill umfasste sie von hinten und flüsterte ihr zärtlich ins Ohr: »Ich denke jede Sekunde daran, wie ich dir das wunderschöne weiße Hochzeitskleid ausziehen werde. Ich konnte mich schon in der Kirche kaum auf die Worte des Geistlichen konzentrieren. Und jetzt muss ich mich um meine Jungs kümmern. Die haben genug.«
Damit küsste er sie noch einmal zärtlich, bevor er energischen Schrittes auf eine Gruppe Soldaten zusteuerte, die bereits ordentlich dem Bier zugesprochen hatten.
»Was macht das denn für einen Eindruck?«, fragte er seine Leute streng. »Ihr lasst euch hier sinnlos volllaufen und grölt rum. Wollt ihr, dass es heißt, die Neuseeländer benehmen sich wie eine Horde ungebildeter Schafzüchter?«
Während er seine Soldaten ermahnte, suchte er Kates Blick und zwinkerte ihr verschwörerisch zu.
Kate wollte sich gerade unter die Gäste mischen, als Otto Brenner sie aufgeregt ansprach. »Haben Sie wohl eine Sekunde für mich?«
»Für Sie immer!«, entgegnete Kate und ließ sich von ihm in eine ruhige Ecke führen.
Der Pflanzer räusperte sich verlegen. »Ich will Sie an Ihrem großen Tag nicht mit meinen Problemen belasten, aber ich wollte es Ihnen wenigstens gesagt haben.«
»Brennerlein, nun spucken Sie es schon aus! Was bedrückt Sie?«
»Es ist der ...« Suchend sah er sich um und senkte die Stimme. »... der neue Besitzer. Ich kann mir nicht helfen, ich traue ihm nicht.«
Kate lächelte krampfhaft: »Nun, er ist auf den ersten Blick kein Mensch, der die Herzen erwärmt, aber glauben Sie mir, er ist ein erfahrener Farmer und wird sich dank Ihrer Hilfe bald eingearbeitet haben.«
»Aber das ist es ja gar nicht. Ich traue ihm schon zu, dass er unsere Plantage, also ich meine, Ihre, nicht gleich in den Ruin treibt, aber es ist sein Auftreten. Er war gestern draußen auf der Plantage, und wie er da herumgestiefelt ist, grimmig, mit den Händen in den Hosentaschen, die Nase hoch, ist er mir wie ein übler Kolonialherr vorgekommen. So wie die Allerschlimmsten der deutschen Plantagengesellschaft. Wenn Sie verstehen, was ich meine.«
Kate versuchte Brenner nicht spüren zu lassen, dass sie insgeheim selbst bezweifelte, dass Steven wirklich geeignet war, seine Mitarbeiter für sich einzunehmen. Und ohne die Mitarbeiter lief auf der Plantage nun einmal gar nichts. Es war ihr nicht leichtgefallen, Annas
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