Der Fluch der Maorifrau
wollen Sie? Und wovon wollen Sie leben? Jeder weiß doch, dass Steven die Plantage in Grund und Boden gewirtschaftet hat!«
»Ich werde dieses Haus verkaufen, von dem Erlös die Überfahrt nach Neuseeland bezahlen und damit die ersten Jahre über die Runden kommen. In meinem Strandhaus fange ich wieder zu malen an. Damit kann ich die Kinder und mich vielleicht über Wasser halten. Es hört sich vielleicht verwegen an, aber ich glaube fest daran!«
»Sie sind eine tapfere Frau!«, raunte er, als ein finster dreinblickender Walter sie unterbrach. Er hielt einen Brief in der Hand, den er ihr stumm reichte.
Kate stutzte. Er kam von Jane aus Dunedin. Kate hatte Paul McLean vom Tod seines Sohnes unterrichtet. Das Fieber habe ihn dahingerafft!, hatte sie geschrieben. Mit einer Antwort hatte sie nicht gerechnet. Nachdem Wohlrabe sich sichtlich bewegt verabschiedet hatte, riss sie ungeduldig den Umschlag auf.
Kate,
wie Sie sich denken können, schreibe ich Ihnen ungern, aber Vater verlangt es von mir. Er liegt seit Wochen danieder. Sein Herz. Er wird sterben und möchte, dass Sie umgehend mit Ihrem Kind nach Opoho reisen. Wie Sie sich denken können, würde ich gern auf ein Wiedersehen verzichten, aber Vater hat mich genötigt, Ihnen zu übermitteln, dass es sein größter Wunsch wäre, wenn Sie ihm verzeihen könnten. Jane.
P.S. Was haben Sie ihm eigentlich zu verzeihen?, frage ich mich.
Kate wurde heiß und kalt. Es schockierte sie, dass der Alte weder Stevens Tod noch seinen Enkel Walter auch nur mit einem einzigen Satz erwähnt hatte.
Otto Brenner suchte Kate gleich nach seinem Freispruch auf. Erleichtert weihte Kate den Pflanzer in ihre Pläne ein. Sie würde ihm die Plantage überschreiben. Sie verhehlte nicht, dass Steven sie heruntergewirtschaftet hatte. Brenner jedoch setzte große Hoffnungen in seine erwachsenen Söhne und wusste nicht, wie er ihr danken sollte.
»Das ist das Mindeste, was ich für Ihre Familie tun kann, Brennerlein«, versicherte Kate ihm. Bei dem Gedanken an die bevorstehende Reise wurde ihr Herz schwer. Sie bat ihn, nicht zum Schiff zu kommen. Noch einen Abschied würden sie beide nicht verkraften.
»Nun werden wir uns wohl wirklich niemals wiedersehen«, sagte er unter Tränen.
»Hier werden Sie immer einen Platz haben, Brennerlein«, antwortete Kate schniefend und deutete auf ihr Herz.
Opoho, im Februar 1923
Kate hatte ein beklemmendes Gefühl, als Paul McLeans Farm vor ihnen im Nebel auftauchte. Als sie mit den beiden Jungen sein düsteres Schlafzimmer betrat, zitterte sie. Der Tod sitzt schon auf der Bettkante, dachte sie. Das Gesicht des Alten war so zerfurcht und eingefallen, dass nichts an den alten Tyrannen erinnerte.
»Das ist Ihr Enkel Walter, Stevens Sohn«, flüsterte Kate.
Artig reichte der Junge ihm die Hand und sagte: »Guten Tag, Großvater.«
Paul nahm Walters Hand, starrte jedoch neugierig an ihm vorbei auf Bill John. Der Kleine strahlte ihn gewinnend an: »Großvater, darf ich mir die komischen weißen Tiere anschauen?«, fragte er.
Kate erschrak. Doch der Alte rang sich zu einem Lächeln durch.
»Die komischen Tiere sind Schafe. Eines Tages werden sie allein dir gehören. Wie alles Land, das du siehst, und alles Geld, das ich besitze. Lauf und sieh dir dein Reich ruhig an!«, raunte er heiser.
»Danke, Großvater!«, Bill John verbeugte sich wohlerzogen und rannte aufgeregt hinaus.
Walter blieb wie angewurzelt stehen, bis sein Großvater ihn anherrschte: »Worauf wartest du noch? Hinaus mit dir!« Auch Jane, die das Ganze von der Tür aus beobachtet hatte, schickte der Alte unwirsch hinaus.
Kate wurde immer unbehaglicher zumute.
»Hol dir einen Stuhl! Ich muss dir etwas sagen, Kate«, erklärte er nun.
Kate durchfuhr es eiskalt. Er hatte sie noch nie mit Vornamen angeredet. Was war bloß in den alten Mann gefahren? Seufzend gehorchte sie und nahm neben dem Krankenlager Platz.
»Der Arzt gibt mir nur noch wenige Tage, und der Priester hat mir ins Gewissen geredet. Ich soll Frieden mit meiner Familie machen. Ich habe schon auf dich gewartet!«
Kate nickte, wenngleich sie nicht wusste, worauf er hinauswollte, aber er fuhr gehetzt fort: »Ich habe gelogen ... damals, als junger Mann. Ich war bei den Schafen, als es passierte. Als ich ins Haus kam, lag Mutter in ihrem Blut, und Vater jammerte: ›Was soll ich tun? Was soll ich tun?‹ Er war betrunken und hatte vor Schreck unter sich gelassen. Er klammerte sich an mich und flehte mich an zu
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