Der Fluch der Maorifrau
bezeugen, dass er sich nur gewehrt habe. Ich glaubte ihm nicht. Zu oft war ich dabei gewesen, wenn er sie verprügelte, aber ich blendete es aus. Ich wollte es nicht wissen. Er jammerte, dass meine Mutter eine Hure sei, die es hinter seinem Rücken mit anderen Männern und sogar Frauen getrieben habe. Er nannte mir einen Namen: Anna Peters! Ich wollte ihm nur zu gern glauben. Das Gefühl, einen Mörder zum Vater zu haben, war unerträglich. Also hasste ich Anna. Ich fühlte mich bestätigt, als dein Großvater zu meinem Vater zog. Wenn er betrunken war, und das war er meistens, schimpfte er immer nur über deine Großmutter. Ich begann alle Frauen zu hassen, weil sie den Männern nur Unglück brachten. Ich hasste alle Menschen bis auf meinen Sohn Bill. Und deshalb vererbe ich deinem Sohn alles, was ich besitze -«
Ein Hustenanfall unterbrach seine Beichte. Kate war wie erstarrt.
Als der Anfall vorüber war, redete der Alte weiter: »Bill war der Einzige auf der Welt, der je mein Herz erwärmen konnte. Und Bill soll in deinem Sohn weiterleben und Herr über diese Farm sein.«
Was ist mit Walter?, lag Kate auf der Zunge, aber sie schluckte die Frage hinunter. Es hatte keinen Sinn, den Sterbenden eines Besseren zu belehren.
»Steven habe ich manchmal mit in den Stall genommen und ihn geschlagen, damit keiner seine Schreie hören konnte. Er war meiner Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten. Erst lange, lange, nachdem du mir die Wahrheit ins Gesicht geschleudert hast, dämmerte mir langsam, dass sie ein guter Mensch war und ich genauso ein Teufel bin wie mein Vater. Ich muss Frieden mit meiner Seele schließen und alles wiedergutmachen. Auch du sollst in Wohlstand leben.«
Mit diesen Worten griff er in den Nachtschrank und holte ein Schriftstück hervor. »Ich gebe es in deine Hände. Geh damit zu Jonathan Franklin, meinem Anwalt! Er wird das Erbe verwalten.«
Kate schluckte trocken. Sie kämpfte mit sich, doch sie konnte nicht anders. »Wenn Sie etwas wiedergutmachen wollen, dann bedenken Sie auch Walter in Ihrem Testament. Er ist auch Ihr Enkel!«
Paul McLean stöhnte laut auf. »Eines muss man euch McDowell-Weibern lassen: Ihr habt Mumm in den Knochen.« Er schloss die Augen und atmete schwer. »Gut, hol mir etwas zum Schreiben! Ich werde dem Knaben eine Hälfte zusprechen!« Mit diesen Worten streckte er ihr eine knochige Hand entgegen, die sie zögernd ergriff und zum Dank drückte.
Kate rannte hinaus. Als sie zurückkehrte, lag Paul McLean mit weit aufgerissenen Augen da. Vorsichtig trat sie näher. Der alte Mann war tot. Kate empfand keine Trauer. Hastig griff sie nach dem Schriftstück, das sie an seinem Bett zurückgelassen hatte. Sie bedauerte nur, dass Walter wieder einmal hinter Bill John zurückstehen musste. In diesem Augenblick beschloss sie, Walter mitzuteilen, dass der Großvater ihn ebenso bedacht habe wie seinen Cousin Bill.
»Darf ich das Testament mal sehen?« Mit diesen Worten riss Jane Kate das Papier aus der Hand. Ohne ihren toten Vater auch nur eines Blickes zu würdigen, studierte sie das Dokument. Der Ausdruck um ihren verkniffenen Mund wurde immer verbitterter. »Hab ich's mir doch gedacht! Wir gehen leer aus! Wie großzügig von dem Alten! Mein Mann darf den Verwalter spielen, bis dein feiner Sohn die Farm übernehmen kann. Oho, sogar ein Gehalt soll mein Fred bekommen. Wie großzügig! Dabei waren wir immer für Vater da! Ich werde dafür sorgen, dass du nicht in meinem Elternhaus hocken wirst wie eine Drohne! Das ist nicht gerecht!«, spie Jane förmlich aus. Damit wandte sie sich ihrem Vater zu und brach in lautes Schluchzen aus.
»Jane!«, sagte Kate leise, nachdem das hysterische Weinen ihrer Schwägerin verebbt war. »Wenn ich es richtig verstanden habe, soll dein Mann die Farm in Schuss halten, oder?«
Jane sah Kate feindselig an und nickte.
»Gut, dann werde ich in die Princes Street ziehen, zumindest, bis Bill einundzwanzig ist! Und du ziehst mit deinem Mann zurück in dein Elternhaus!«, erklärte Kate mit fester Stimme, und sie fügte in scharfem Ton hinzu: »Ich möchte in den nächsten Tagen dort einziehen. Hast du verstanden? Binnen einer Woche!«
Ocean Grove, 20. Januar 2008
Sophie schreckte hoch. »Was ist passiert?«, fragte sie ängstlich. Judith war, ohne anzuklopfen, in ihr Zimmer gerauscht.
»Sag mir bitte, was los ist! Du beschwindelst mich. Glaubst du, ich merke das nicht? Sind sie das?«, fragte Judith streng und deutete auf die Blätter, die auf
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