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Der Fluch der Maorifrau

Der Fluch der Maorifrau

Titel: Der Fluch der Maorifrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Walden
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ihren Armen, aber am Morgen war klar, dass alle Kinder über den Berg waren. Sie hörte Brenner laut weinen und schreien, aber sie hatte keine Kraft, ihn zu trösten. Sie wollte nur noch nach Hause. Die ganze Fahrt zurück nach Sogi schlief sie. Beim Aussteigen konnte sie sich kaum mehr auf den Beinen halten, sodass Brenner sie stützen musste.
    Als sie den Weg zum Haus entlanggingen, winkte Steven ihnen von der Veranda aus zu. Auf seinem Schoß saß Bill John, der aufgeregt »Mama! Mama!« rief. Aber Kate konnte nur noch zu ihrem Bett wanken. Sie fiel bis zum nächsten Mittag in einen tiefen Schlaf.
    Als sie aufstand, war Tula verschwunden.
    »Ich dachte, dir ist vielleicht lieber, wenn du sie nicht mehr sehen musst«, antwortete Steven ausweichend. Sie wurden unterbrochen, weil Bill John angerannt kam. Er hatte in seinem Netz einen Schmetterling gefangen. Kate breitete die Arme aus, damit er auf ihren Schoß krabbeln konnte, aber er setzte sich wie selbstverständlich auf Stevens Knie. Der besah sich den zappelnden Schmetterling und schlug vor, ihn aufzupieksen und eine Sammlung anzulegen.
    Kate hingegen erklärte lächelnd: »Ich habe eine bessere Idee.« Sie nahm Bill John das Netz aus der Hand und ließ den wunderschönen Schmetterling frei. Ihr Sohn zog ein langes Gesicht.
    Ich muss aufpassen, dass er sich nicht zu sehr an Steven hängt, ging es Kate durch den Kopf. Vor allem, als sie mit einem Seitenblick beobachtete, mit was für einem hassverzerrten Gesicht Walter Zeuge dieser Szene geworden war. Nun trat der Junge zögernd auf Steven zu.
    »Vater!«, sagte er stolz. »Vater, ich habe in Englisch die beste Klassenarbeit geschrieben!« Ohne eine Antwort abzuwarten, holte er sein Heft aus der Schultasche, um Steven den gelungenen Aufsatz zu zeigen. Der aber würdigte ihn keines Blickes.
    »Das ist sehr brav!«, lobte Kate schnell und griff nach dem Heft, doch Walter hielt es fest in der Hand. Sie seufzte.
    »Musst du gar nicht zurück zur Arbeit?«, fragte sie nun Steven, der immer noch mit Bill John spielte. »Hoppe, hoppe, Reiter, wenn er fällt, dann schreit er, fällt er in den Graben, fressen ihn die Raben, fällt er in den Sumpf, dann macht der Reiter plumps«, sang er ihm vor, und der Kleine quietschte vor Vergnügen.
    Er merkt nicht mal, dass Walter enttäuscht auf sein Zimmer gegangen ist, dachte Kate traurig. »Nein, ich bleibe heute zu Hause. Die scheußliche Grippe ist überall. Ich will mich doch nicht anstecken.« Kate begriff endgültig, dass Steven McLean keinen Vorwand scheute, sich vor der Arbeit zu drücken. »Bill John, schau doch mal nach Walter!«, sagte Kate und funkelte ihren Mann wütend an. »Steven!«, fauchte sie, als sie mit ihm allein war. »Wenn du Walter noch einmal züchtigst oder so demütigst wie vorhin, sind wir weg! Verstanden?«
    Steven sah sie verwirrt an, bevor er brummelte: »Okay, ich verspreche es dir, ich lass die Finger von diesem Satansbraten.«
    »Und noch etwas?«
    »Alles, was die Prinzessin verlangt!«
    »Du rührst keinen Tropfen mehr an.«
    »Sehr wohl!«
    »Und ab jetzt gehe ich ins Kontor und kümmere mich um die Geschäfte!«
    »Das ist eine gute Idee. Dann kann ich einen kleinen Mittagsschlaf machen«, erklärte er sichtlich vergnügt.

 
Apia, im Januar 1923
 
    Kate saß im Kontor sorgenvoll über die Bücher gebeugt, wie sie es inzwischen fast täglich tat. Heute wusste sie sich jedoch keinen Rat mehr, denn es kam alles zusammen: die schlechte Ernte, der seit dem Tod seiner Frau seelisch angeschlagene Otto Brenner, die zunehmende Trunksucht und Vergnügungssucht ihres Mannes, der sich vor seinen Besuchen bei den dunkelhäutigen Schönheiten neuerdings üppig aus der Firmenkasse bediente. Es gab keine Hoffnung mehr. Die Plantage warf nicht mehr genug ab!
    Seufzend legte sie das Buch zur Seite, bemüht, den Gedanken zu verdrängen. Sie dachte an ihren Sohn. Bill John war ihr ganzer Stolz. Er war jetzt sieben Jahre alt und Klassenbester. Alles, was er anpackte, gelang ihm. Der Junge besaß den Charme seines Vaters und auch sein einnehmendes Wesen. Alle liebten ihn. Alle - bis auf Walter.
    Wie soll er ihn auch lieben, wenn Steven mit Bill John all die Dinge unternimmt, die er mit seinem Sohn niemals macht?, fragte sich Kate. Sie wandern in den Bergen, fahren zum Fischen und besitzen sogar ein gemeinsames Boot. Walter wurde nie zu diesen Unternehmungen eingeladen.
    Der Junge war jetzt elf und tat so, als kümmere ihn das nicht. Regelmäßig schwänzte er

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