Der Fluch der Maorifrau
prickelnden Empfindungen hinzugeben.
Es war wie ein Rausch, der ein jähes Ende fand, als Albert McDowell auf sie zutrat, eine Verbeugung andeutete und höflich fragte: »Darf ich mit deiner schönen Partnerin auch mal ein Tänzchen wagen?« Sein Blick war grimmig.
John blieb freundlich und erwiderte seinem Bruder scherzend: »Aber nur das eine, wenn ich bitten darf!«
Anna lächelte ebenfalls krampfhaft, als sie sich nun von Albert führen ließ. »Glauben Sie ja nicht, dass Sie ihn bekommen! Sie können Mary nicht das Wasser reichen«, zischelte er ihr plötzlich ins Ohr.
Anna zuckte zusammen. Warum verabscheute Albert sie so? Wahrscheinlich stimmen die Gerüchte, wonach er einst unglücklich in Mary verliebt gewesen ist und sie an seinen charmanten Bruder verloren hat, dachte sie. Sie antwortete nicht, sondern ließ sich von ihm herumwirbeln, ohne die Miene zu verziehen. Gleichgültig blickte sie zum Rand der Tanzfläche, wo Emily Brown mit ihrer Schwester Portia Evans tuschelte. Der Witwe wurde nachgesagt, dass sie alles tun würde, um das Herz von John McDowell zu erobern.
»Er kann Sie niemals heiraten, denn Sie sind bereits verheiratet!«, fuhr Albert genüsslich fort und hielt Anna so fest im Arm, dass es schmerzte.
Das reichte! Anna hielt inne, befreite sich aus seinem Griff und bedankte sich förmlich für den Tanz. Sie konnte die Tränen nur mühsam unterdrücken. Albert hatte ja recht. Was würde sie darum geben, wenn sie sich in Johns Arme flüchten und ihn mit den Kindern nach Wellington begleiten könnte!
Hocherhobenen Hauptes stolzierte sie an Emily und ihrer Schwester vorbei, als Portia für alle hörbar verlauten ließ: »John hat mir den nächsten Tanz versprochen.« Es folgte ein Kichern in Annas Rücken.
Anna verließ eilig den Salon. Sie wusste nicht, wohin sie entkommen sollte, denn durch den Garten pfiff ein eisiger Wind. Sie überlegte noch, ob sie nicht eine Übelkeit vorschützen und sich verabschieden sollte, als sie Johns warme Stimme hörte.
»Gib nichts auf das Gerede der Leute! Du bist den Damen, die ihre ledigen Schwestern, Töchter oder Cousinen unter die Haube bringen wollen, ein Dorn im Auge. Vielleicht ahnen sie, warum keine von ihnen je eine Chance bei mir hätte.«
Ungläubig drehte sich Anna um. Ihr Herz klopfte bis zum Halse. Wenn sie nur frei wäre, dann dürfte sie ihm ihre Gefühle ohne Scheu offenbaren! Aber so?
Als könne John Gedanken lesen, fragte er nun: »Was ist mit Christian? Warum ist er nicht hier? Emily Brown sprach von einer Geschäftsreise, und das in einem merkwürdigen Unterton.«
Anna wand sich. Sie mochte John nicht in ihr Elend einweihen, aber er ließ sich nicht so leicht abwimmeln.
»Wenn ich dir helfen kann, bitte sprich mit mir! Ich sehe doch, dass dich etwas bedrückt, mein Herz!«
Mein Herz? Hatte er wirklich mein Herz gesagt? Die Freude überflutete sie in heißen Schauern. Wenn sie diesen Augenblick doch nur festhalten könnte! Aber da war er auch schon vorüber.
»Anna, es ist doch etwas!« John blickte sie prüfend an.
Anna schluckte trocken, bevor sie seufzend ausstieß: »John, ich weiß mir keinen Rat mehr. Christian spricht dem Teufel Alkohol in einem Maß zu, dass es ihn eines Tages ruinieren könnte. Ich habe gebetet, gebettelt, ich habe ihn angefleht, aber er hört nicht auf mich.« Anna stockte. Sie konnte die Tränen nicht länger zurückhalten.
John zog ein Schnupftuch hervor und reichte es ihr. »Soll ich mit ihm reden?« Anna sah ihn erstaunt an. »Das würdest du tun? Auf dich würde er vielleicht hören. Aber sag ihm bitte nicht, dass ich mit dir gesprochen habe. Sonst ...«
»Was ist sonst?«
Anna wich seinem fragenden Blick aus. »Es ist besser, wenn du es nicht erwähnst.«
John nickte bedächtig. »Man spricht in der Stadt davon, dass er Schwierigkeiten in der Firma hat, weil er so oft unpässlich ist. Ich werde ihm meine freundschaftliche Hilfe anbieten und ihm bei der Gelegenheit ins Gewissen reden.« Mit diesen Worten griff John in seine Hosentasche und holte einen gut gefüllten Geldbeutel hervor. »Der ist für dich«, sagte er und drückte ihn Anna in die Hand.
»Aber, aber ...«, stammelte Anna.
»Es ist das Geld, das du brauchst, um zwei Monate lang für Timothy zu sorgen, denn vorher kann ich nicht zurück nach Dunedin reisen. Bei dir ist das Geld besser aufgehoben als bei Christian. Und lass dich nicht von meinem Bruder verunsichern! Er ist empört, dass ich seinen Neffen ganz in deine Obhut gebe.
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