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Der Fluch der Maorifrau

Der Fluch der Maorifrau

Titel: Der Fluch der Maorifrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Walden
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wäre.«
    »Das kann ich verstehen. Die Makutu, die Flüche der Maori, sind sehr gefürchtet.«
    Sophie zuckte unmerklich zusammen. »Und was heißt Pakeha?«, fragte sie nun.
    »Das bedeutet Europäer oder weißer Mann, weiße Frau«, entgegnete Judith und sah Sophie forschend an. »Interessieren Sie sich für die Maori? Oder wollen Sie nur wissen, warum Ihr Strandhaus diesen Namen trägt«, fragte sie vorsichtig.
    »Ja, das Strandhaus!«, wiederholte Sophie hastig und bedankte sich für die Auskunft. Ihr war ganz und gar nicht danach zumute, die beiden in ihre Geschichte einzuweihen. Womöglich glaubten sie an die Wirkung von Maoriflüchen. Also brachte sie die Unterhaltung auf den neuseeländischen Tourismus, der Zuwachs bekommen hatte, seit die Verfilmung von Herr der Ringe das Land als Kulisse weltweit bekannt gemacht hatte.
    »Verzeihen Sie, aber ich bin todmüde«, erklärte Sophie nach dem schmackhaften Dessert.
    John Franklin sprang sofort auf und bestand darauf, sie zurück zum Hotel zu bringen.
    Zum Abschied umarmte Judith Sophie herzlich. »Kommen Sie doch zu Johns und meiner Silvesterparty am Strand. Bitte, Sie müssen kommen, jetzt, wo Tom mich so schändlich im Stich gelassen hat«, sagte sie noch. John Franklin schloss sich dieser Einladung ausdrücklich an.
    Auf der Rückfahrt erkundigte Sophie sich vorsichtig nach Judith' Mann.
    »Sie ist nicht verheiratet. Tom ist eheresistent. Aber sie ist seine große Liebe«, erklärte John nachdenklich. »Das hält Tom aber nicht davon ab, die Flucht zu ergreifen, wenn es ihm zu eng wird. In freier Natur durchatmen, wie er sich ausdrückt. Judith hat sogar Verständnis dafür. Tom ist in verschiedenen Pflegefamilien aufgewachsen und hat eine gewisse Skepsis, was das Modell der intakten Familie angeht. Trotzdem leidet Judith sehr unter seinen Fluchten. Und deshalb müssen wir meine arme Kollegin an Silvester trösten.«
    Sophie spürte, wie ihr Herz einen Sprung machte. Er sprach mit einer Selbstverständlichkeit von »wir«, wogegen sie eigentlich hätte protestieren müssen, weil sie noch erhebliche Zweifel an der gemeinsamen Party hegte, aber es klang so gut. So angenehm vertraut.
    »Wenn ich dann noch hier bin!«, gab Sophie mit belegter Stimme zu bedenken.
 
    Als John vor dem Hotel hielt, konnte sich Sophie nicht so recht entschließen, aus dem Jeep zu steigen. »Auf Wiedersehen. Und danke für das Bringen«, sagte sie steif.
    »Bis Samstag! Die Trauerfeier findet um zwölf Uhr in der Kapelle auf dem Green-Park-Friedhof statt. Einen presbyterianischen Geistlichen habe ich auch schon besorgt. Ich hole Sie gegen elf Uhr hier ab.«
    Sophie starrte den Anwalt verwirrt an.
    »Wen haben Sie besorgt?«
    »Einen Geistlichen.«
    »Ja, das habe ich verstanden, aber einen Presbyterianer?«
    John Franklin seufzte. Er wollte etwas sagen, aber Sophie kam ihm zuvor.
    »Warum sollte meine Mutter auch keine Presbyterianerin gewesen sein? Schließlich hat sie auch die neuseeländische Staatsbürgerschaft. Himmel, können Sie sich vorstellen, wie verwirrend das alles für mich ist? Stellen Sie sich mal vor, Sie finden nach dem Tod ihrer Mutter heraus, dass sie eine völlig andere gewesen ist, als Sie dachten! Dass Ihre Familie aus Timbuktu stammt oder so was. Das ist das Letzte, wirklich das Allerletzte ...« Sophie merkte gar nicht, dass sie laut geworden war.
    »Ich verstehe Sie ja, Sophie, wirklich«, sprach John beruhigend auf sie ein. Er nahm sie sanft in den Arm und hielt sie fest, während sie in ein herzzerreißendes Schluchzen ausbrach.
    Nach einer halben Ewigkeit löste Sophie sich aus dieser Umarmung, blickte John Franklin aus rot geweinten Augen an und schluchzte: »Danke. Judith und Sie, Sie sind so nett zu mir.«
    »Soll ich noch mit raufkommen?«, fragte er zögernd.
    Sophie musste sofort an Anna denken, die in einer schwierigen Verfassung Johns Kuss erwidert hatte. Sophie spürte es genau, dass sie sich selbst in diesem Moment nicht trauen konnte. Sie war verstört, traurig, allein. Sie durfte den einfühlsamen Anwalt jetzt nicht mit aufs Zimmer nehmen ... Nein! Sophie zwang sich, an Jan zu denken, der am anderen Ende der Welt auf sie wartete. »Nein, danke, das schaffe ich schon allein«, entgegnete sie hastig, drehte sich auf dem Absatz um und verschwand im Hotel. John, dachte sie, merkwürdig, dass Annas große Liebe ausgerechnet auch John hieß.

 
Dunedin, 26. Oktober 1869
 
    An einem warmen Frühlingstag saß Anna in einem Korbsessel in ihrem Garten

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