Der Fluch der Maorifrau
hätten und nichts als simple Schafzüchter seien.
Kate sprang mit hochrotem Kopf auf, protestierte aufs Schärfste und hielt dem Lehrer vor, dass sie in Neuseeland tausendmal mehr Bildung erhalten habe als auf dieser Klippschule.
Schomberger musterte sie verächtlich und brüllte dann: »Du bist keine Deutsche. Du bist das Kind ungebildeter Schafzüchter!«
Worauf Kate trotzig erwiderte: »Ja, ich bin gern Neuseeländerin, und ich gehöre nicht hierher. Aber mein Vater war Anwalt, Sie Dummkopf, und Sie könnten ihm nicht das Wasser reichen!«
Mit diesen Worten hatte sie das Klassenzimmer verlassen wollen, aber er stellte sich ihr in den Weg und versetzte ihr eine schallende Ohrfeige. Kate hatte ihn daraufhin als »Barbaren« bezeichnet, war hoch erhobenen Hauptes an ihm vorbeimarschiert und nach Hause gerannt.
Kate hatte befürchtet, ihre Großmutter würde ihr Vorwürfe machen und sie wieder zur Schule zurück schicken. Aber Granny hatte sich alles seelenruhig angehört und nur gesagt: »Ich werde Brenner bitten, dir die besten Bücher aus Deutschland zu besorgen. Und ich werde dir einen gebildeten Privatlehrer besorgen. Schließlich wirst du eines Tages studieren. Ich schwöre es dir. Du wirst eine deutsche Universität besuchen!«
Kate hatte dazu geschwiegen, weil sie ihre Großmutter nicht hatte verärgern wollen, die ihr gerade bedingungslos Unterstützung gewährt hatte. Sollte sie ihr in so einem Augenblick offenbaren, dass sie, wenn überhaupt, dann nur in Neuseeland studieren würde?
Die Heimat kann doch nur das Land sein, für das mein Herz schlägt, dachte Kate nun und sah verträumt über die Bucht. So, als könne sie da irgendwo in der Ferne die grünen Hügel der Südinsel Neuseelands entdecken. »Ich komme zurück«, wisperte sie. »Eines Tages komme ich zurück!«
Es war schön hier. Keine Frage, aber erst bei dem Gedanken, eines Tages nach Dunedin zurückzukehren, klopfte ihr Herz so heftig, dass sie nur noch mehr ins Schwitzen kam. In diesem Augenblick sah sie Otto Brenner, Grannys rechte Hand, keuchend die Treppen zur oberen Veranda emporsteigen, unter dem Arm ein Riesenpaket.
»Das Schiff ist da!«, schnaufte er und ließ das Paket auf den Boden gleiten und sich ächzend in einen der Korbstühle fallen. Dabei knackte das Geflecht bedenklich. Kate befürchtete schon, der Lieblingssessel ihrer Großmutter würde unter seinem Gewicht zusammenbrechen. Mit einem Brief fächelte er sich Luft zu. Der Schweiß rann dem übergewichtigen Mann in Strömen das Gesicht hinunter.
Kate erhob sich. »Ich hole Ihnen etwas zu trinken!«, rief sie.
Sie rannte zum Kochhaus hinten im Garten und kam mit einem Glas Orangensaft zurück, das Herr Brenner dankbar entgegennahm und in einem Zug hastig leerte.
»Eines Tages wird er mich in die Wüste jagen«, stöhnte er, während er auf den Absender des Briefes stierte.
Kate nahm ihm den Brief grinsend ab. »Lassen Sie mich raten. Der liebe Onkel Rasmus!« Mit diesen Worten sah sie auf den Adressaten des Briefes, Christian Peters, und kicherte. »Ist doch komisch, dass er immer noch denkt, mein Großvater schmeißt den Laden hier.«
»Ich kann gar nichts Komisches daran finden!«, erwiderte Otto Brenner streng. »Mir wird er sofort kündigen, wenn er erfährt, dass ich ihm unterschlagen habe mitzuteilen, dass hier nicht Ihr Großvater, sondern Ihre Großmutter regiert!«
Kate konnte sich das Lachen nicht verkneifen. Diesem kräftigen braungebrannten Mann, der wie ein mutiger Seemann aussah, den nichts auf der Welt umhauen konnte, stand die Angst vor dem fernen Onkel Rasmus förmlich ins Gesicht geschrieben.
»Wenn er Großmutter und Sie rausschmeißt, dann kann er sein gutgehendes Handelshaus auf Samoa gleich schließen«, erklärte Kate.
»Ja schon, aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis es ihm zu Ohren kommen wird. Die Gattinnen der Handelsgesellschaftsherren haben nämlich nichts anderes zu tun, als den Klatsch und Tratsch der Kolonie nach Hause zu schreiben. Und Fräulein Kate, Sie wissen doch, wie skeptisch Ihre Großmutter hier beäugt wird. Dass der Chef Anna und nicht Christian heißt, ist rundum bekannt. Mich wundert, ehrlich gesagt, dass es in Hamburg noch nicht angekommen ist.«
»Aber es läuft doch hervorragend mit dem Kopra. Und das Geschäft mit dem Kakao lässt sich doch auch gut an!«
»Hm!«, brummelte Brenner und fixierte den Brief in ihrer Hand, doch da hatte Kate ihn bereits aufgerissen.
»Das können Sie doch nicht machen!«,
Weitere Kostenlose Bücher