Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Fluch der Schriftrollen

Der Fluch der Schriftrollen

Titel: Der Fluch der Schriftrollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
Vom Netzwerk:
wahr,
denn sie gehörten in eine andere Zeit und in eine andere Wirklichkeit.
    Endlich meinte Ben mit
weicher Stimme: »Sie glauben mir, nicht wahr?«
    Sie hielt für eine Sekunde
den Atem an, dann flüsterte sie: »Ja, ich glaube Ihnen.«
    Er seufzte, als ob ihm eine
schwere Last von den Schultern genommen worden wäre.
    »Gott sei Dank, daß ich Sie
hier bei mir habe«, seufzte er, als er auf die Couch sank. Jetzt ist mir klar,
weshalb Sie hier sind, dachte er bei sich, als sie sich neben ihm niederließ.
Sie sind hier, weil David wußte, daß ich Sie brauchen würde.
    Während Judy versuchte, ruhig
zu bleiben und sich ihre Bestürzung nicht anmerken zu lassen, hob sie die
Blätter mit der Übersetzung auf und las ein paar Zeilen laut vor. Sie wollte
Ben damit wieder zur Vernunft bringen und versuchen, den Zauberbann zu brechen.
»Ich möchte wissen, was die Zeitungen schreiben werden, wenn sie das erfahren.«
    »Nun«, erwiderte Ben
mechanisch, »Miriam und Simon waren geläufige Namen im alten Israel. Nichts
weist darauf hin, daß es sich bei ihnen um Maria und Petrus handeln könnte.«
    »Aber der Kuß auf die Wange.
Diese Art der Begrüßung war nur unter den frühen Christen üblich; andere Juden
kannten sie nicht.«
    »Ja… ich weiß. Die Paulusbriefe.
Sie denken also, daß diese Miriam dieselbe Maria ist, deren Haus das Zentrum
der Nazaräer Kirche in Jerusalem war? Die Mutter von Markus?«
    »Warum nicht?«
    »Weil es lächerlich ist. Um
Gottes willen, die Schriftrollen eines Anhängers Jesu…« Ben fuhr sich mit der
Hand übers Gesicht. »Die Chancen, daß es nicht so ist, sind… nun… Ich will
einfach nicht glauben, daß wir ein echtes christliches Dokument in Händen
halten.«
    Daß ich nicht lache, dachte
Judy. Daran willst du nicht glauben, aber gleichzeitig bist du überzeugt, von
einem Mann verfolgt zu werden, der seit zweitausend Jahren tot ist.
    Forschend schaute sie in Bens
Gesicht. Nein, der Zauber hatte von ihm Besitz ergriffen. Durch nichts ließe
Ben sich da wieder herausreißen. Wo immer sich sein Geist auch festgesetzt
hatte, dort wollte er auch bleiben, aus Gründen, die nur ihm selbst bekannt
waren. »Wie wär’s, wenn ich jetzt die Suppe warm mache?« Ben antwortete nicht.
    »Ben, warum sollte ich
Professor Cox anlügen?«
    »Weil ich nicht zum
Unterricht gehen will, bis das hier vorbei ist. David läßt es nicht zu. Ich muß
hier bleiben.«
    »Ich verstehe.«
    Es war ein beunruhigender
Gedanke: Ben, der sich von der Welt abschottete, sich immer mehr zurückzog, bis
er eines Tages nie mehr in die Gegenwart zurückgebracht werden konnte. Es
schien beinahe so, als befürchtete er, daß die Berührung mit der Wirklichkeit
den dünnen Faden zerreißen könnte, der ihn mit David verband.

 
    Kapitel Zwölf
     
     
     
    Die Zwangsvorstellung wurde
immer mächtiger. Wohin Ben sich auch wandte, David Ben Jona war da. Der Jude
stand am Rande seiner Träume und beobachtete das Geschehen wie ein
unbeteiligter Zuschauer. Als Ben in bizarren Alpträumen von Majdanek und seiner
Kindheit in Brooklyn wieder mit der Vergangenheit kämpfte, stand David Ben Jona
untätig dabei, als wollte er die Grenzen von Bens Leidensfähigkeit ergründen.
    »Warum diese Träume?«
murmelte Ben, als er am nächsten Morgen wieder unausgeschlafen und verstört
erwachte. »Warum muß ich das erdulden? Ist es nicht genug, daß mich nach all
diesen Jahren meine Vergangenheit wieder eingeholt hat und ich nicht mehr
imstande bin, sie aus meinem Gedächtnis zu verbannen? Ich verstehe nicht, warum
ich diese heftigen Alpträume haben muß!«
    Er schleppte sich auf bleischweren
Füßen durch die Wohnung, während sich das nebelhafte Gespenst David Ben Jonas
dicht an seiner Seite hielt. Ben war nicht nach Essen zumute. Auch hatte er
keine Lust, irgend etwas anderes zu tun, außer die nächste Rolle zu lesen. Vor
vier Uhr nachmittags würde sie nicht eintreffen, und Ben fürchtete sich vor den
Stunden des Wartens.
    In der Hoffnung, daß er davon
einschliefe, schenkte Ben sich ein großes Glas Wasser ein, trank es in einem
Zug aus und legte sich erschöpft auf die Couch.
    Judy mußte diesmal
nicht an die Tür klopfen, denn zu ihrer großen Überraschung stand sie halb
offen. Es war acht Uhr abends. Sie war sich sicher, daß Ben zu Hause war und an
seiner Übersetzung saß, doch in der Wohnung brannte kein Licht.
    Vorsichtig streckte sie ihren
Kopf hinein. »Ben? Schlafen Sie? Ich bin’s.«
    Totenstille.
    »Ben?« Sie trat ganz

Weitere Kostenlose Bücher