Der Fluch der Sphinx
zeigte. Auf dem Platz neben Gamal lag ein vergrößertes Paßfoto Erica Barons. Jedesmal, wenn eine Frau das Hotel verließ, verglich Gamal ihr Gesicht mit der Fotografie.
Gamal war achtundzwanzig. Er war knapp über eins sechzig groß und etwas korpulent. Verheiratet, zwei Kinder, eines war ein Jahr, das andere drei Jahre; das Department of Antiquities hatte ihn eingestellt, kurz bevor er im Frühjahr an der Kairoer Universität seinen Doktor in Verwaltungswissenschaft machte. Mitte Juli hatte er seinen Posten angetreten, aber seither waren die Dinge nicht so glatt gelaufen, wie er es gerne gesehen hätte. Das Department besaß so viele Mitarbeiter, daß er bis jetzt bloß die seltsamsten Aufträge erhalten hatte, so wie der jetzt zum Beispiel, nämlich diese Erica Baron zu beschatten und zu melden, wohin sie ging. Gamal nahm Ericas Foto zur Hand, als zwei Frauen aus dem Hotel kamen und in ein Taxi stiegen. Gamal hatte noch nie jemanden beschattet, und er empfand die Aufgabe als Erniedrigung, aber er konnte es sich nicht leisten, sie abzulehnen, zumal er direkt bei Achmed Khazzan, dem Direktor, Bericht erstatten mußte. Gamal hatte viele gute Ideen für das Department und jetzt das Gefühl, als könne sich eine Gelegenheit ergeben, sie einmal an maßgeblicher Stelle zu äußern.
Um sich für die Hitze, mit der sie in Saqqara rechnete, vernünftig zu kleiden, zog Erica eine leichte beigefarbene Bluse mit kurzen Ärmeln und eine etwas dunklere Hose mit Zugkordelbund an, beides aus Baumwolle. In ihre Segeltuchtasche packte sie ihre Polaroidkamera, dasBlitzlichtgerät und den 1929er Baedeker. Nach sorgfältigem Vergleich hatte sie Abdul Hamdis Urteil zustimmen müssen. Der alte Baedeker war ein weit besserer Führer als der Nagel.
An der Anmeldung durfte sie endlich wieder ihren Paß in Empfang nehmen, der inzwischen ordnungsgemäß bearbeitet worden war. Außerdem stellte man ihr ihren Führer für den heutigen Tag vor, Anwar Selim. Erica hatte eigentlich kein Interesse an einem Fremdenführer, aber das Hotel empfahl ihn, und nachdem sie am Vortag so viele Flegel belästigt hatten, willigte sie zum Schluß ein, erklärte sich zur Zahlung von sieben ägyptischen Pfund für den Führer sowie zehn weiteren Pfund für Taxi und Fahrer bereit. Anwar Selim war ein hagerer Mittvierziger, der am Aufschlag seines grauen Anzugs eine Metallnadel mit der Nummer 113 trug, wodurch er sich als regierungsamtlich zugelassener Fremdenführer auswies.
»Ich kenne eine wundervolle Route«, sagte Selim, der die eigentümliche Angewohnheit besaß, mitten im Satz zu lächeln. »Zuerst besuchen wir in der morgendlichen Kühle die Große Pyramide. Dann …«
»Vielen Dank«, unterbrach ihn Erica. Sie wich zurück Selims Zähne waren in beklagenswerter Verfassung, und vor seinem Atem wäre sogar ein wildgewordenes Rhinozeros zurückgeprallt. »Ich habe bereits einen Plan für den heutigen Tag. Zuerst will ich dem Ägyptischen Museum einen kurzen Besuch abstatten, dann nach Saqqara fahren.«
»Aber Saqqara wird tagsüber sehr heiß sein«, wandte Selim ein. Sein Mund war in einem verkrampften Lächeln erstarrt, seine Gesichtshaut straff von der ägyptischen Sonne.
»Sicherlich«, fiel ihm Erica ins Wort. »Aber das ist eine Route, die mir entschieden besser gefällt.«
Ohne daß sich sein Gesichtsausdruck änderte, öffnete Selim ihr die Tür des verbeulten Taxis, das für sie bereitstand. Der Fahrer war noch jung, und sein Kinn zierten die Bartstoppeln von drei Tagen.
Als das Taxi für die kurze Fahrt zum Museum startete, legte Khalifa seinen Feldstecher auf den Boden seines Wagens. Er ließ Ericas Taxi auf die Straße fahren, ehe er den Motor anwarf, dabei überlegte er, ob es irgendwie möglich sei, an Informationen über den Fremdenführer und den Taxifahrer zu gelangen. Als er den ersten Gang einlegte, bemerkte er, daß unmittelbar hinter Ericas Auto ein zweites Taxi vom Hilton abfuhr. Beide Autos bogen an der ersten Kreuzung nach rechts ab.
Gamal hatte Erica, als sie vor dem Hotel erschien, sofort erkannt, ohne sich anhand des Fotos nochmals vergewissern zu müssen. Hastig notierte er sich die Nummer des Fremdenführers – 113 – am Rand seiner Zeitung, ehe er den Fahrer anwies, Ericas Taxi zu folgen.
Vor dem Ägyptischen Museum half Selim Erica aus dem Wagen, und der Fahrer parkte das Fahrzeug im Schatten einer nahen Platane, um zu warten. Gamal ließ seinen Fahrer unter einem anderen Baum halten, von wo aus er Ericas Taxi im
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