Der Fluch der Sphinx
niederdrückenden Atmosphäre des Ägyptischen Museums.
Das Büro des Kurators glich mit den herabgelassenen Jalousien einer düsteren Höhle. Eine Klimaanlage, die vernehmlich schnarrte, hielt den Raum kühl. Es war ein viktorianisches Studierzimmer, mit dunklem Holz getäfelt. An einer Wand hatte man eine Kaminattrappe aufgebaut, in Kairo ohne Zweifel fehl am Platze; die anderen Wände waren vollkommen von Bücherregalen ausgefüllt. In der Mitte des Raumes stand ein großer Schreibtisch, überhäuft mit Büchern, Zeitschriften und Papieren. Hinterm Tisch saß Dr. Fakhry, der aufschaute und über seine Brillengläser lugte, als Erica und Richardeintraten. Er war ein kleiner nervöser Mann von etwa sechzig und besaß spitze Gesichtszüge und drahtiges graues Haar.
»Willkommen, Dr. Baron«, sagte er, stand jedoch nicht auf.
Ericas Empfehlungsschreiben zitterte leicht in seiner Hand. »Ich bin stets hocherfreut, jemanden vom Bostoner Museum für Schöne Künste begrüßen zu dürfen. Wir stehen für seine hervorragende Arbeit tief in Reisners Schuld.« Dr. Fakhry sah beim Sprechen nur Richard an.
»Ich bin nicht Dr. Baron«, erklärte Richard; er lächelte.
Erica trat um einen Schritt vor. »Ich bin Dr. Baron, und ich danke Ihnen für Ihr Entgegenkommen.«
Dr. Fakhrys Miene der Verwirrung wich einem Ausdruck verlegenen Begreifens. »Entschuldigen Sie«, sagte er kurz. »Ich ersehe aus Ihrem Empfehlungsschreiben, daß Sie an Ort und Stelle Übersetzungen von Hieroglyphen an Denkmälern des Neuen Reiches vornehmen möchten. Das freut mich sehr. Es gibt noch viel zu tun. Wenn ich Ihnen irgendwie behilflich sein kann, stehe ich zu Ihren Diensten.«
»Danke«, sagte Erica. »Ich wollte Sie tatsächlich um eine Gefälligkeit bitten. Ich bin an Hintergrundinformationen über Sethos I. interessiert. Wäre es möglich, daß ich die diesbezüglichen Materialien des Museums einsehen darf?«
»Selbstverständlich«, antwortete Dr. Fakhry. Sein Tonfall veränderte sich ein wenig; er klang mehr verwundert, als verblüffe ihn Ericas Ersuchen. »Unglücklicherweise wissen wir, wie Ihnen zweifellos bekannt ist, wenig über Sethos I. Außer den Übersetzungen der Inschriften an seinen Denkmälern besitzen wir einen Teilder Korrespondenz Sethos’ I. aus seinen frühen Feldzügen in Palästina. Aber das ist schon fast alles. Ich bin sicher, daß Sie mit den von Ihnen beabsichtigten Übersetzungen unser Wissen erweitern können. Die vorliegenden Übertragungen sind schon ziemlich alt, und seit ihrer Anfertigung ist viel dazugekommen.«
»Und seine Mumie?« fragte Erica.
Dr. Fakhry gab Erica das Empfehlungsschreiben zurück. Das Zittern seiner Hand verstärkte sich, als er es ihr entgegenstreckte. »Ja, seine Mumie haben wir hier. Sie befand sich im Felsengrab von Deir el Bahri, das die Familie Rasul entdeckt und widerrechtlich ausgeplündert hat. Die Mumie ist oben ausgestellt.« Er schaute Richard an, der erneut lächelte.
»Hat man die Mumie jemals näher untersucht?« erkundigte sich Erica.
»Jawohl«, sagte Dr. Fakhry. »Eine Autopsie ist vorgenommen worden.«
»Eine Autopsie?« meinte ungläubig Richard. »Wie unterzieht man eine Mumie einer Autopsie?«
Erica packte Richard am Arm oberhalb des Ellbogens. Er verstand und hielt den Mund. Dr. Fakhry sprach weiter, als habe er die Zwischenfrage nicht gehört. »Und kürzlich hat ein amerikanisches Team sie sogar geröntgt. Ich lasse Ihnen gerne das gesamte verfügbare Material in unserer Bibliothek bereitlegen.« Dr. Fakhry erhob sich und öffnete die Tür seines Büros. Er ging mit stark verkrümmtem Rücken voraus, die Hände an den Seiten seltsam abgebogen, so daß er wie ein Buckliger wirkte.
»Eine andere Frage«, sagte Erica. »Haben Sie viel Material über die Öffnung von Tutanchamuns Gruft?«
Richard ging an Erica vorbei und musterte die starkbusige Sekretärin mit verstohlenem Seitenblick. Sie tippte mit krummem Rücken auf ihrer Schreibmaschine.
»Ach, in dieser Hinsicht können wir Ihnen gern helfen«, meinte Dr. Fakhry, als sie in eine Marmorhalle traten. »Wie Sie wissen, haben wir die Absicht, einiges von den Geldern, die uns durch die weltweite Wanderausstellung der Schätze Tutanchamuns zugeflossen sind, für den Bau eines Museums für seine Artefakte zu verwenden. Uns steht hier nun eine komplette Mikrofilmausgabe der Aufzeichnungen Carters, die er ›Tagebuch der Graböffnung‹ nannte, zur Verfügung sowie ein inhaltsreicher Schriftwechsel zwischen
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