Der Fluch der Totenleserin totenleserin4
verdarb ihm nicht die Laune, singend ritt er davon. Noch als die Wagen im Dämmerlicht verschwanden, konnte sie seine Stimme hören:
»Aber sie konnten den Takt auf der kalten Erde nicht halten,
und so tanzten sie auf der Tür, der nicht ganz so kalten.«
Sie stieg den Hang hinauf, versicherte sich, dass es Ulf und Rankin am Feuer, das Mansur ihnen gemacht hatte, warm genug hatten, und ging weiter zum Haus der Nonnen.
Rowley war davon ausgegangen, dass sie über die Glaubensgrundsätze der Katharer so empört wäre wie er, war er doch, in gewisser Weise, ein sehr orthodoxer Katholik. Aber als Bischof musste er das wohl sein.
Sicher, ihr kamen die Dinge, die er ihr erzählt hatte, auch seltsam vor, aber da ging es ihr mit einigen Grundsätzen der Katholiken nicht anders. Die Dreifaltigkeit zum Beispiel, die hatte sie nie wirklich verstanden. Es sprach für die Katharer, dass sie sie ablehnten.
Für die Katharer schien die irdische Welt eine Schöpfung des Teufels zu sein. Die Seele musste von ihr befreit werden und ein reines Leben leben, sodass sie, wenn der Körper starb, ins Licht des Himmels zurückkehren konnte, wohin sie eigentlich gehörte.
Da Gott seinen Sohn nicht als Körper dem Bösne ausgeliefert hätte, musste Jesus ein Geist gewesen sein und konnte deshalb durch die Kreuzigung nicht gelitten haben, weshalb sie auch das Kreuz nicht anerkannten oder tragen wollten.
»Und sie haben Frauen als Priester, nicht nur Männer«, hatte Rowley noch gesagt und den Kopf geschüttelt. »
Perfecti,
werden sie genannt. Die Vollkommenen. Gott, gib mir Kraft!«
»Tss, tss«, hatte sie erwidert. »Frauen im Priesterrock. Da weinen ja die Engel.«
»Da weine
ich.
Und jetzt guck nicht so!«
Sie näherte sich dem Haus und sah Schwester Ermengarde mit jemandem im Obstgarten sprechen, von dem nur ein Umriss zu erkennen war. Also setzte sie sich auf die Bank neben die Tür und wartete.
Boggart saß auf den Eingangsstufen und nutzte das Licht aus dem Raum hinter ihr, um sticken zu üben. Das Stück Stoff und die Knochennadel mit dem Faden hatte sie von Ermengarde, die entsetzt gewesen war, als sie erfahren hatte, dass das Mädchen nicht nähen konnte.
»Der Bischof will dich, mich und Mansur morgen nach Hause schicken«, erklärte Adelia ihr. »Freust du dich darauf, England wiederzusehen?«
Boggarts Antwort kam sofort. »Aber
er
wird mich doch nich wiederkrieg’n?«
Wer? Oh, armes Kind, dein Vergewaltiger. »Nein, das wird er verdammt noch mal nicht. Wir stehen unter dem Schutz des Königs. Wenn der Mann auch nur in deine Richtung sieht, was er nicht tun wird, schneidet Henry ihm sein Dingsbums ab und brät es mit Petersilie.«
»Das iss gut«, sagte Boggart erleichtert. »War aber schon ’ne Sache, oder, mit der Königlichen zu reisen und alle die Wunder zu seh’n? Trotzdem, wird schön, Eure Allie zu treffen.«
»Ja, das wird es.«
Von hier oben konnte man das verwaschene Violett hinter den Bergen im Westen noch erkennen, das die Sonne hinterlassen hatte, aber es war kalt, und Adelia war froh um ihren Mantel.
Ermengarde setzte sich neben sie auf die Bank. »Das war ein Freund, der gekommen ist, um uns zu warnen. Aelith und ich müssen morgen von hier weg. Es heißt, dass die Kirche nach uns sucht. Großartig. Das bedeutet, dass wir die Teufel aufgescheucht haben. Natürlich seid Ihr und die Euren hier so lange willkommen, wie Ihr wollt.«
»Ich weiß, dass wir das sind.« Adelia legte ihre Hand auf dieErmengardes. »Aber wir sind auch soweit. Ich breche morgen nach England auf. Es tut mir leid, dass Ihr Ärger habt.«
Es war so, als würden sich die beiden Frauen schon lange gut kennen, tatsächlich aber war es das erste Mal, dass sie die Muße hatten, so beisammen zu sitzen und über etwas anderes zu reden als ihre Patienten.
Hinter ihnen im Haus war Aelith zu hören, die in offensichtlicher Eile sich und das Haus auf die Abreise vorbereitete.
Gemeinsam mit den Sternen zog der Duft der Herbstnacht herauf. Ward, der den Kopf auf Adelias Fuß gelegt hatte, und eine nahebei angebundene Ziege fügten ihm ihre eigenen Gerüche hinzu.
»Wir erwarten nichts als Ärger von dieser vom Satan geschaffenen Welt und der römischen Kirche der Wölfe«, sagte Ermengarde. Die kräftige Stimme der kleinen Frau trug die Irrlehre in die Düsternis hinaus, die voller dahinflatternder Fledermäuse war.
Adelia zuckte zusammen. Wenn sie jemand hörte … Aber da war niemand, der sie hören konnte. Trotzdem hatte sie das
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