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Der Fluch der Totenleserin totenleserin4

Der Fluch der Totenleserin totenleserin4

Titel: Der Fluch der Totenleserin totenleserin4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
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weiter, und Adelia und ihre Freunde passten zu den regelmäßig hier durchkommenden Schmugglern, katharischen
Perfecti,
wandernden muslimischen Wahrsagern und anderen Sonderlingen, denen der Ort Obdach bot. Caronne wich selbst zu sehr von allen Regeln ab, um andere verraten zu wollen oder zu können. Wenn der Steuereintreiber des Bischofs von Carcassonne den Berg heraufgeritten kam – er wurde jeden Tag erwartet, und so war ein Posten aufgestellt worden – schafften die Dorfbewohner so viele ihrer besteuerbaren Ziegen und so viel Korn wie nur möglich tief in den Wald und hofften, dass es den Eintreiber nicht argwöhnisch machte, so wenige Tiere und Vorräte vorzufinden.
    Und das taten sie, obwohl die Kirche ihnen damit drohte, ihre Seelen würden zur Hölle fahren, wenn sie dem Bischof nicht seinen rechtmäßigen Anteil gäben.
    Fabrisse war Katholikin und der Jungfrau Maria ergeben, sah aber keinen Grund, den Männern zu folgen, die ihren Glauben beherrschten und seine Gebote verzerrten. Viele ihrer Freunde im Dorf waren Katharer, und wenn sie auch den Umstand beklagte, dass ihre Kirche überall in der Gegend an Boden verlor, wäre es ihr doch niemals eingefallen, ihre Freunde zu verraten, genauso wenig wie sie ihren geliebten kleinen Sohn über die Burgmauern geworfen hätte. Alle gemeinsam waren sie vereinigt im Kampf gegen die Armut.
    »Der Graf hat immer gesagt, er schulde diesem Steuereintreiber nichts, der auf seinem edlen Pferd hier heraufgeritten kam, begleitet von einem ganzen Gefolge an Männern, die noch besser gekleidet waren als er. Jesus sagt, dem Kaiser zu geben, was des Kaisers ist, hat aber nicht vorausgesehen, dass sich Seine eigene Kirche zum Kaiser erklären würde.«
    Das sahen alle im Dorf so. Als Adelia und Fabrisse eines Abends den Dorfplatz überquerten, um Na Roqua, einer ältlichen Katharerfreundin der Gräfin eine Fencheltinktur zum Einreiben der Brust zu bringen, hörte Adelia, wie eine Gruppe Männer über die
Carnelage
-Steuer sprach, den Zehnten auf das Vieh, der bald fällig werde.
    »Warum sollten wir dem Bischof für unsere Lämmer zahlen?«, stellte einer die offenbar jährlich wiederkehrende rhetorische Frage. »Bringen wir ihn stattdessen lieber um.«
    Auf das verzagte Lachen hin sagte Fabrisse zu Adelia: »Hört Ihr? Hier seid Ihr sicher. Ihr müsst Euch nicht fürchten.«
    Sie ist so unbeschwert, Gott schütze sie! Aber ich habe Ermengarde brennen sehen. Trotzdem, sie hat recht, ich muss aufhören, mich zu ängstigen. Ich bin diese Angst leid.
    Dennoch konnte sie nicht anders und fragte, ob denn auch der Priester des Dorfes schweigen würde. »Wird er uns nicht verraten, Euch und die Katharer?«
    »Der?« Die verwitwete Gräfin hob die vollkommenen Brauen und lachte. Die fleischlichen Sünden des Priesters sorgten für sein Schweigen und seine Mithilfe. Seine Dienste für die einsamen Frauen des Dorfes beschränkten sich nicht auf die Messen, die er las.
    Adelia schloss die verwitwete Gräfin immer mehr ins Herz. Sie hatte nie jemanden wie sie getroffen. Fabrisse war von einer grundsätzlichen Ehrenhaftigkeit, die Adelia davon abhielt, sie als unmoralische Frauensperson zu sehen. Ihr Verhalten passte zu der Gleichgültigkeit, die sie den von Männern aufgestellten Regeln entgegenbrachte. Sie machte kein Hehl daraus, dass sie auch ohne Ehemann körperliche Bedürfnisse hatte. Warum sie nicht befriedigen? Sie holte sich den jungen Priester der kleinen Kirche ins Bett, wie andere einen heißen Stein hineinlegten, um sich die Füße zu wärmen. (Adelia fragte sich, ob er Fabrisse, wenn sie zur Beichte zu ihm kam, von den Sünden freisprach, die sie zusammen begingen.)
    »Ja, der«, sagte Adelia dennoch aus einer Furcht heraus, von der sie sich einfach nicht freimachen konnte. »Wird Vater Alain seinem Bischof nicht von uns erzählen?«
    »Nein, das schwöre ich. Im Übrigen«, sagte Fabrisse, »hat Patricio sich für Euch verbürgt.«
    »Vertraut Ihr ihm alle so sehr?« Die Frage kam gegen ihren Willen aus ihr heraus.
    »Natürlich. Ihr nicht?«
    »Oh, doch, ich vertraue ihm. Es ist nur, dass … Er hat sein Leben für uns riskiert, und ich begreife nicht, warum er das tat.«
    Fabrisse ließ den Blick einen Moment lang auf Adelias Gesicht ruhen. »Tut Ihr das nicht?«, sagte sie. »Dann kann ich Euch auch nicht helfen.«
     
    In Caronne lebten alle, ob nun edlen oder bäuerlichen Geblüts, von ihrer Hände Arbeit. Fabrisse mochte die Gräfin sein, aber sie fand es nicht

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