Der Fluch Des Bierzauberers
letzten Satz hatte er sich an seine Berater gewandt. »Ich will jedoch nur Vorschläge hören, die keine Tumulte im Volk auslösen.«
Bald gingen die Empfehlungen der Berater ein. Der Kurfürst lauschte, während der in der Sonne schmelzende Schnee leise, kaum hörbar vom Dach tropfte. Nur ab und zu fiel ein Eiszapfen herunter und zerbrach klirrend im Hof.
»Wir brauchen eine eigene Heeressteuer.«
»Wie wäre es mit einer Heeresakzise nach holländischem Vorbild?«
»Man könnte doch alles besteuern, was vom Volk verbraucht wird: Lebensmittel, Kaufmannswaren, Gewürze, Getränke.«
Der Kurfürst lächelte und wedelte sich mit seiner gichtknotigen Hand etwas frische Luft zu. Die Idee dieser Verbrauchssteuer war brillant. Aus mehrerlei Gründen. Nicht nur, dass es eine demokratische Steuer wäre, die alle träfe. »Das würde bedeuten, dass auch der Adel die Steuer zahlt, sobald er Bier säuft oder sein Essen würzt«, schlussfolgerte er sogleich. Seine Berater nickten ergeben.
»Bier, das ist es. Wenn man die Brauereien besonders besteuert? Gesoffen wird immer.« Dieser spontan aussehende Vorschlag kam vom Freiherrn Gerhard Bernhard von Pöllnitz, der dem Kurfürsten nicht nur treu ergeben, sondern auch einer seiner wichtigsten Berater war. Auf dessen Empfehlungen er gern hörte. Wie auch in diesem Fall.
»Nun, eine zusätzliche Akzise aufs Bier will mir zusagen. Damit trifft es alle«, beendete der Kurfürst die Debatte. Die Kriegssteuer war somit beschlossene Sache.
Von Pöllnitz jubilierte innerlich. Nun konnte er zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Zum einen, dem großmäuligen, einbeinigen Hessenprinzen aufs Haupt schlagen. Nie würde er vergessen, wie sich dieser mit seinem Bier aus Weferlingen in Cölln am Hof gebrüstet und den Kurfürsten zudem einen treulosen Gesellen gescholten hatte. Zum anderen konnte er nun endlich einem Freund einen Dienst vergelten. Zurück in seiner Wohnung in Berlin setzte er einen Brief auf an einen Jesuiten in Trier. Einen Jesuiten, den er im Sommer 1658, als Pöllnitz kurbrandenburgischer Gesandter am Kaiserhof in Wien war, kennengelernt hatte, und mit dem ihn seither, trotz ihres unterschiedlichen Glaubens, eine Art Freundschaft verband. Der Freiherr schätzte die Eigenschaften, die den Jesuiten nachgesagt wurden und die er mit diesem Freund in überreichem Maße teilte: übermäßiges Streben nach Macht, Skrupellosigkeit und Habgier.
Nächtelang hatten sie in ihrer Wiener Zeit diskutiert. Über die ›Monita Secreta‹, die ›Geheimen Ermahnungen‹, die als Grundlage jesuitischer Politik galten und in denen jedes Mittel für den Erfolg, sprich Macht und Reichtum der Jesuiten, gerechtfertigt wurde. Von dem Jesuiten hatte er erfahren, wie man das Vertrauen der Mächtigen gewinnt, sei es als Beichtvater oder als Berater. Er hatte schnell gelernt, wie man bestach, manipulierte und intrigierte. In den folgenden Jahren hatten sie regelmäßig vertrauliche, verschlüsselte Botschaften ausgetauscht und brisante Informationen geteilt. So wusste von Pöllnitz seit geraumer Zeit von der Suche der Trierer Jesuiten nach dem Braumeister Knoll. Mangels Beweisen waren ihm, innerhalb Brandenburgs Gesetzgebung, die Hände gebunden gewesen. Er hatte sich auch nicht weiter darum geschert – Knoll war ihm persönlich ja unbekannt –, bis er dann persönlich mit dem Prinzen von Homburg aneinandergeraten war. Umso mehr freute er sich jetzt über sein Meisterstück mit der neuen Akzise.
Der Brief an Bruder Martin enthielt kurz und präzise eine Schilderung dessen, was beschlossen worden war und endete mit der Prognose: ›Mit dieser neuen Biersteuer werden wir beide unsere Gegner niederzwingen. Habe Vertrauen in die Kraft des Geldes.‹
10.
Aus der Mobilmachung war mittlerweile ein erklärter Reichskrieg gegen Frankreich geworden, an dem sich alle deutschen Fürsten zu beteiligen hatten. Grund dafür war der Einfall der Franzosen in Lothringen, der Pfalz und im Kurfürstentum Trier. Dort hatten die Truppen von Turenne, der Knoll noch aus seiner Bitburger Zeit in äußerst unguter Erinnerung war, gehaust wie einst im Großen Krieg. Die Bevölkerung war unterschiedslos abgeschlachtet, alles Wertvolle mitgenommen, der Rest verbrannt worden. Frankreich versuchte nun vergeblich, den Kurfürsten Brandenburgs auf die alte Abmachung hinzuweisen, und betonte, dass ein Eingreifen hier einen erneuten Verrat und Frontwechsel bedeuten würde. Friedrich Wilhelm, den
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