Der Fluch Des Bierzauberers
Nachstellungen des Teufels und den Lothringern erlöse uns, O Herr.
Für die Bitburger, auch die Brauer, brachen – wieder einmal – harte Zeiten an:
Dies Jahr um die österliche Zeit hat sich eine große Teuerung an Feldfrüchten eingestellt, derart, dass kein Korn um Geld zu kaufen gewesen wäre, das Malter wurde um siebzehn Taler verkauft und noch mehr. Es sind auch etliche wegen Hungers tot abgegangen.
Die Hungersnot mag der Grund gewesen sein für den Abzug der Truppen:
Am 30. Juni ist Montaubant mit bei sich habender Kompanie marschiert. Gott gebe, dass sie nicht wiederkommen.
Ein Brief seines Sohnes Ulrich, den er Anfang Juli erhalten hatte, hatte ihn sehr aufgewühlt. Dieser wie auch weitere Briefe seines Sohnes, die in den kommenden Monaten folgen sollten, fanden aber keinen Eintrag in der Chronik.
Der geschlossene Friede schien nur Makulatur zu sein, Ruhe und Ordnung waren weit entfernt. So sehr, dass Knolls Verzweiflung stetig weiter wuchs, vor allem, als auch sein alter Freund Oetz Opfer der alltäglichen Gewalt wurde:
Am 8. August hat der Baron de Molle eine starke Partei von fünfhundert Mann zu Fuß und zu Pferd ins Land getan, welche alle unsere Kühe, wie auch die zu Mötsch, Hüttingen und Masholder, hinweggeführt hat. Die Bürger sind herausgelaufen mit dem Gewehr und bei Meilbrück in einen Hinterhalt gerannt. Der Mehrteil der Bauern und Bürger wurde niedergemacht. Der Rest gefangen genommen. Vierzehn Bitburger Bürger sind tot geblieben. Darunter auch Erasmus Oetz. Von den Franzosen sind sechs oder sieben tot geblieben. Gott wende solches in Zukunft von uns ab. Gott sei der Seele meines guten Freundes Oetz gnädig und gebe den Mördern ihre gerechte Strafe.
An diesem Punkt beendete Knoll seine Aufzeichnungen. Drei Jahre lang hatte er den Lauf der Zeit aus seiner Sicht dokumentiert. Nichts hatte sich geändert. Er hatte die Nase ein für alle Mal voll. Im Sommer darauf war sein Entschluss gereift. Wieder einmal hatten Flügel und er eine Brausaison erlebt, von der sie sich mehr schlecht als recht hatten ernähren können. Zu knapp war immer noch das Getreide, zu teuer wurde dadurch das Bier, als dass sie noch Freude daran gehabt hätten. So war er erneut von dem Gedanken beseelt, noch einmal, wieder einmal, ganz von vorn anzufangen. Er ging zu Flügel und erzählte ihm von seiner Idee, alles hinter sich zu lassen, nach England zu gehen und von dort mit einem Schiff nach Amerika einzuschiffen.
Der sah ihn verständnislos an. »Was willst du bei den Indianern? Nach allem, was ich so höre, legen die es nur darauf an, die Einwanderer zu massakrieren.«
»Schließlich ist es egal, ob wir hier oder dort massakriert werden«, war Knolls Entgegnung. »Der berühmte Lord Baltimore sucht verfolgte Katholiken – als ein solcher betrachte ich mich mittlerweile«, fügte er nicht ohne Koketterie hinzu, »um mit ihnen in der neuen Welt eine neue Heimat in Frieden und Religionsfreiheit zu finden.« Diese Neuigkeiten hatten sich bis nach Mechelen und weiter herumgesprochen und waren bei Knoll auf fruchtbaren Boden gefallen.
Letzten Endes zeigte Flügel Verständnis. »Auch wenn du hier in Bitburg Freunde gefunden hast, so ist dir doch einiges an Unbill widerfahren.«
»Meine Tochter ist in deiner Familie gut verheiratet, mein Sohn arbeitet irgendwo im fernen Böhmen. Niemand braucht einen alten Mann wie mich noch. Ich möchte zumindest meinen Lebensabend friedlich verbringen.«
»Wie alt bist du jetzt?«
»Ich zähle siebenundvierzig Jahre«, erwiderte Knoll.
»Nun, das ist mehr, als viele Menschen überhaupt an Lebensspanne hatten, zumindest in diesem unseligen Krieg. Aber wenn du dich für jung und kräftig genug erachtest, in die Neue Welt zu segeln, so sollst du meinen Segen haben.«
Lisbeth Magdalena dachte ähnlich, fügte aber hinzu, dass sie ihren Vater sehr vermissen werde.
So machte er bis zum Ende des Jahres 1651 alles zu Geld, was er nicht mitnehmen wollte. Einen Teil davon gab er Flügel als Mitgift für Lisbeth Magdalena, der er auch die Kladden zur Verwahrung überließ, in die er seine Chronik der letzten Jahre eingetragen hatte. Für einen Teil ließ er sich Wechsel ausstellen, um vor Raubüberfallen sicher zu sein. Den Rest nahm er in bar mit auf die Reise.
Der Abschied von Flügel war lang und voller Wehmut. Der Bitburger Brauer wusste, wem er das Überleben der Brauerei in diesem endlosen Krieg zu verdanken hatte. »Ich werde dein
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