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Der Fluch Des Bierzauberers

Der Fluch Des Bierzauberers

Titel: Der Fluch Des Bierzauberers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guenther Thoemmes
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waren sie durchs Land gezogen und überall den schrecklichen Zeichen dieses entsetzlichen Krieges begegnet. Immer wieder kamen sie an Orten vorbei, in denen ein General ein Strafgericht unter Plünderern abgehalten hatte. Wie auch hier, in der Nähe ihres Lagerplatzes. Die Körper der Erwürgten hingen noch an den Bäumen, übergroßen, monströsen Fledermäusen gleich. Große wie kleine, kräftige wie schmächtige Männer. Alte wie junge, sogar einige, die beinahe noch Buben gewesen waren. Die beiden Gesellen störten sich aber nicht mehr daran und achteten nur noch darauf, nicht im Wind zu lagern, um den Gestank der Verwesung nicht in die Nase zu bekommen.

    Ihr Platz war gut gewählt. Tagsüber schattig, von hohen Bäumen umstanden, mit einem kleinen Teich in der Nähe. Sie hatten in den vergangenen Monaten das Beste aus der Lage gemacht und mittlerweile begonnen, das Leben auf der Straße zu genießen. Man traf viel fahrendes Volk, und zwei junge, fröhliche Burschen waren als Gesellschaft immer gern gesehen. Auch ein hübsches junges Mädchen zur Gesellschaft ließen sie sich gern gefallen. Wenn sie in einer Schenke saßen, fröhlich ihren Bierkrug stemmten und dazu volkstümliche Gedichte vortrugen, brachen die Herzen der Bauernmädchen oder Schankmaiden, deren Ohren ansonsten eher unflätige Soldatenzoten gewöhnt waren, reihenweise. Traurige Gedichte kamen dabei am besten an. Wie die von Martin Opitz, dessen Werke im Volk von Mund zu Mund gingen. Wenn Johann, der die tragendere Vortragsstimme der beiden besaß, aufstand und traurige Poesie deklamierte wie ›Die Bäume stehn nicht mehr, die Gärten sind verheert; Die Sichel und der Pflug, sind jetzt ein scharfes Schwert.‹, dann waren nicht nur die Mädchen beeindruckt. Bald hatten die Brauergesellen gelernt, sich diese Wirkung zunutze zu machen, die erregten Blicke der Mädchen erwidert und häufig private Rezitationsstunden im Heu gegeben. Alles in allem, trotz Krieg und fehlender Brauerarbeit, führten die beiden ein ereignisreiches, bedürfnisarmes und weitgehend sorgenfreies Leben auf der Straße.

    Ulrich wie auch Johann hatten sich mittlerweile einen ansehnlichen Wortschatz in Rotwelsch zugelegt, und so konnten sie sich unterwegs mit Landsknechten wie auch mit Gaunern und Zigeunern bestens unterhalten. Anfangs hatten sie sich einen Spaß daraus gemacht, abends am Feuer ausdrücklich in dieser Gaunersprache zu reden. Mittlerweile war es zur Gewohnheit geworden. Das Rotwelsch war gewissermaßen schon in Fleisch und Blut übergegangen.

    »Ho, wann gibt’s denn endlich was zum acheln?«, rief Ulrich Johann feixend zu.

    Der antwortete in aller Seelenruhe: »Das dauert noch, die Strohbutz ist so fett, da ist so viel dran wie an drei Holderkautzen. Und wenn wir schon mal richtig Boßhard zum acheln haben, dann soll es auch gut gebraten sein.«

    »Ich hab’ aber schon einen potzverdammten Kohldampf! Wenn wir schon nicht schinageln, dann sollen wir wenigstens einen vollen Bauch haben.«

    »Hör’ auf zu juverbassen und nimm dir ein Stück vom Maro, alter Wolkenschieber.«

    »Da geh’ ich halt vorher noch seffeln.«

    Beide schütteten sich aus vor Lachen.

     
    Bald darauf zogen sie in südlicher Richtung weiter. Es war ein herrlicher, warmer Spätsommertag, der sie das Grauen des Krieges zumindest für kurze Zeit vergessen ließ. Sie ließen Frankfurt hinter sich, reisten weiter durch die Rheinpfalz – noch keine Gegend hatte so übel unter dem Krieg gelitten – und schließlich Richtung Heilbronn. Jetzt waren sie auf dem Weg nach Bayern, weil sie dort die Braukunst studieren wollten. Von Heilbronn nach Nürnberg reisten sie mit einer dieser neumodischen, aber trotzdem unbequemen Postkutschen des Fürsten von Taxis. Trotz des Krieges gab es Fahrpläne in fast alle großen Städte, die mit erstaunlicher Akkuratesse eingehalten wurden. Sogar nach Rom, Venedig, Amsterdam oder Paris fuhren die Kutschen, immer vorausgesetzt, man hatte Geld oder besaß einen gültigen Wechsel.

    »Solange wir noch Geld haben, sollten wir das einmal ausprobieren«, war Johann eindeutig der Unternehmungslustigere von beiden.

    Ulrich grummelte, fuhr aber mit. Er war, wie sein Vater, eher ein gebranntes Kind des Krieges und versuchte, das Geld, das sie dabeihatten, zusammenzuhalten. »Man weiß ja nie, was noch kommt!«

     
    Das Lehrgeld zahlten sie schneller als erwartet. Bei Ansbach gerieten sie in einen Hinterhalt. Ihre Kutsche wurde angehalten und drei bewaffnete

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