Der Fluch Des Bierzauberers
vollzogenen Hinrichtung abzubauen. Die Gehenkten, oder besser das, was von ihnen noch übrig war, lagen am Rand des Platzes. Hunde und Vögel hatten sich bereits eifrig an den halb verwesten Überresten zu schaffen gemacht.
Am Arnulfsplatz stand auch das Brauhaus ›Nackender Bauch‹. Es war nach der Spitalsbrauerei eines der ältesten Brauhäuser Regensburgs und hatte früher ›Zur gestochenen Sau‹ geheißen. Niklas von Hahnfurt hatte das Brauhaus zur ersten Blüte geführt, dort hatte auch das legendäre Saufgelage zwischen dem Brauherrn Albrecht von dem Marchte und Albertus Magnus stattgefunden, bei dem der große Gelehrte den Brauer Niklas einen Biermagus geheißen und für ihn die Empfehlung ausgesprochen hatte, nach Köln zu gehen.
Der ›Nackende Bauch‹ gehörte angeblich einem Söldnerführer, der im Krieg reich geworden war und sich mit dem Kauf der Brauerei seinen Lebensabend sichern wollte. Noch war der Krieg nicht vorbei und der neue Besitzer unterwegs auf weiteren Raubzügen. All dies und mehr erzählte ihnen der Braumeister Emmeran Schuch, der seit vier Jahren versuchte, halbwegs Ordnung in dem Tohuwabohu der Schenke zu halten.
»Ich verstehe das hier alles nicht!«, brüllte er bei ihrer ersten Begegnung gegen den Kneipenlärm an. Während in einer Ecke des Schankraums ein paar Handwerker im Schurzfell standen, heftig miteinander debattierten und ihr Bier tranken, lärmten und fummelten anderweitig Landsknechte an üppig angemalten und tief dekolletierten Dirnen herum.
»Die Menschen hier in der Oberpfalz sind fleißig, bodenständig und zuverlässig. Welcher Teufel sie wohl reitet, sich auf einmal wie die Berserker aufzuführen? Das ist dieser verfluchte Krieg!«
Schon wieder der leidige Krieg. Niemand wollte mehr davon hören, auch Johann und Ulrich nicht.
Emmeran nahm beide gern in Lohn und Brot, auch in Regensburg mangelte es an guten Fachkräften. Hier gab es jedoch sogar Gerste und Hopfen. Allerdings kam zur täglichen Brauerarbeit noch die abendliche Arbeit als Bedienung und Ausschenker hinzu. Sowie einige weitere neue Erfahrungen.
»Wir schenken auch Wein aus. Das Bier war im Krieg jahrelang so schlecht, wenn es überhaupt eines gab, dass die Leute lieber ihren angestammten Bayernwein gesoffen haben. Die Oberpfälzer sind nämlich enorm stur. Und trinken den Wein halt weiter. Unser Bier ist zwar mittlerweile auch teurer geworden, aber immer noch billiger als der Wein. Ein Bier kostet so viel wie eine komplette Fuhrmannsmahlzeit, nämlich fünfundvierzig Kreuzer. Eine Übernachtung kostet hingegen nur zwei Kreuzer.«
Weiterhin teilte Emmeran Johann und Ulrich ihr Deputat zu. Bislang hatten sie getrunken, wenn sie Durst hatten. Auch diese Zuteilung war etwas Neues. »Das hat sich unser Herzog ausgedacht, damit ihm nur ja kein Steuergroschen entgeht. Denn nur dieses Deputat ist steuerfrei. Alles, was Ihr sonst sauft, muss versteuert werden.« Erstaunlicherweise gab es kein Bier, sondern Wein. Emmeran selbst als Meister erhielt drei Liter täglich, die Brauer deren zwei.
Preisverordnung für Gastwirte aus dem 17. Jahrhundert
Den ganzen Winter über lernten sie, wie das bayerische Braunbier hergestellt wird. Anfang März rief Emmeran sie zum Gespräch. »Ich gehe davon aus, dass ihr wisst, wann in Bayern Bier gebraut werden darf.«
Beide nickten bestätigend.
»Am 23. April wird hier unsere Saison beendet. Wie unser Herzog Albrecht IV. bereits 1553 verfügt hat, dürfen wir Braunbier nur von Michaeli bis Georgi brauen.«
Die Brauer hatten damit gerechnet und sahen sich bereits ihre Siebensachen packen.
Emmeran bemerkte ihre traurigen Mienen und schob nach: »Wenn ihr auch im Sommer Bier brauen wollt, dann müsst ihr auf Weißbier umsatteln. Dann sucht euch, wenn ihr hier fortgeht, ein Brauhaus des Herzogs, es gibt ja genügend davon. Da wird Weißbier gebraut unter dem herzoglichen Privileg. Und das auch im Sommer.« Er spuckte aus. »Ich halte das Ganze ja für Verschwendung des kostbaren Weizens. Aber sag’ das mal einer unserem Herzog.«
Ulrich fragte erstaunt nach: »Wo überall wird denn dieses Weißbier gebraut?«
»Am meisten nördlich der Donau, in Richtung böhmischer Wald. Man sagt hier, dass in Böhmen und der Oberpfalz die Leute schier am meisten Weißbier trinken, aber deshalb keiner am Durst stirbt! Wir haben zwar auch Weißbrauhäuser hier in Regensburg, die gehören aber zu den drei Stiften hier: St. Emmeram, Obermünster
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