Der Fluch Des Bierzauberers
brauen«, meinte Johann.
»Genau wie Schorsch es gesagt hat«, ergänzte Ulrich voller Selbstbewusstsein. »Bestes Wasser, bester Hopfen, beste Gerste! Da kommen wir gerade recht, um bestes Bier zu brauen.«
Sie betraten die Stadt von Norden kommend durch das Budweiser Tor. Das Stadttor war nach der nächstgelegenen, größeren Stadt benannt, in der ebenfalls fleißig Bier gebraut wurde. Die beiden hatten sich bis zur Steinbrauerei durchgefragt, waren jedoch immer wieder zum Schloss verwiesen worden. Dieses thronte inmitten der kleinen Stadt imposant auf einem riesigen Felsen. Über eine Brücke, unter der sich im Burggraben einige freilaufende Bären tummelten, die, wie Ulrich nicht recht wusste, vielleicht zur Mahnung, bloß zum Zeitvertreib oder etwa für den Vollzug verhängter Todesstrafen gehalten wurden, gelangten sie in den großen Schlosshof. Dort wurden sie durch mehrere Innenhöfe geschickt – in einem davon befand sich ein großer Hundezwinger mit bedrohlich anmutenden, geifernden Tieren. Schließlich standen sie in einer pompösen, barocken Halle und wurden nach längerer Wartezeit, die sie selbstverständlich stehend verbringen mussten und ihnen wie Tage vorkam, zu einer Dame vorgelassen, die in einem vornehmen Kleid hinter dem beeindruckendsten Schreibtisch saß, den die beiden Jungen jemals gesehen hatten.
Ein kleiner, dicker Mann in einer Uniformjacke ohne dazu passende Hosen, der sie durch die große Halle hinführte, war anscheinend eine Art Feldwebel in der Steinischen Residenz – zumindest führte er sich dementsprechend auf. Er blaffte sie mehr an als dass er sie ansprach: »Erweist der edlen Gräfin Theodora Hyazintha von Silberstein Eure Referenz, Ihr Bauernburschen!«
Eingeschüchtert, ohne die Beleidigung zu entgegnen – schließlich waren sie beide Bürgersöhne und keine Bauernburschen –, standen Ulrich und Johann vor dem massiven Tisch, die Hüte in der Hand, die Köpfe leicht gesenkt und blickten fasziniert die Frau von Ende Vierzig an. Beide fühlten sich sogleich an Ulrichs Schwester Lisbeth erinnert, obschon ein enormer Altersunterschied die beiden Frauen trennte. Totenbleich, beinahe wächsern war ihr Gesicht, das jedoch nicht hager oder ausgezehrt wirkte. Sie besaß wache und sehr energische Augen. Wie um diesen verstörenden Effekt zu verstärken, trug sie eine weißlich-hellblonde Perücke, unter der ein dunkelbrauner Haaransatz durchschimmerte.
Was für eine wunderschöne Frau, war Ulrichs nächster Gedanke.
Gräfin Theodora öffnete den Mund und fragte mit sanfter, beinahe nur gehauchter Stimme: »Was führt Euch beide in mein Schloss? Sucht Ihr Arbeit?«
Johann nickte und ergriff das Wort, nachdem der Faktor ihm mit einer Geste die Erlaubnis dazu erteilt hatte: »Wir sind zwei Brauergesellen auf Wanderschaft und haben gehört, dass es hier in Steinisch Arbeit für uns gäbe.« Er reichte ihr Edelweckhs Referenzbrief.
»Da könntet Ihr recht haben.« Sie las den Brief und reichte ihn weiter an Dettenwanger.
Der lachte auf. »So, so, beim Winzer Brauhaus wart Ihr. Habt für den Herzog Maximilian gearbeitet.«
Die Gräfin wies ihn mit einer herrischen Geste an, zu schweigen. »Wisst Ihr, wer ich bin?« Die beiden schüttelten betreten die Köpfe. »Ihr wisst nicht, was die Leute über mich reden?« Wieder Kopfschütteln. Das, was sie unterwegs gehört hatten, wollten sie keinesfalls zum Besten geben. »Das macht nichts«, fuhr die Gräfin in jovialerem Ton fort. »Gute Brauer kann ich immer brauchen. Ihr könnt gleich mit der Arbeit beginnen. Ich zahle den üblichen Brauerlohn. Über alles Weitere wird Euch mein Faktor Michel Dettenwanger«, ein kurzer Wink zu dem kleinen Dicken, der neben dem Tisch stand, »einweisen. Ihr wohnt im Brauhaus, dort gibt es eine Gesellenstube.« Ein weiterer Wink und sie waren entlassen und hatten Arbeit.
Ihre Dienstherrin, Gräfin Theodora von Silberstein – ihr Mädchenname war Prinzessin von Hassenstein, diese rätselhafte Frau war verheiratet gewesen mit Fürst Franz Friedrich von Silberstein, einem vorindustriellen, steinreichen Magnaten. Sie war für ihre Zeit ungewöhnlich tatkräftig, sowohl was das öffentliche Leben in der Stadt anging als auch den Umbau ihrer Residenz. Ihr verdankte Steinisch ein barockes Theater mit aufwändigen Kulissen und Kostümen. Sie förderte Künste und liebte Okkultes, überall im Schloss waren kleine Zettel mit aufgemalten ›Zauberkreisen‹ versteckt – unter Kissen, in
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