Der Fluch Des Bierzauberers
wie der Broyhan, bei höheren Temperaturen als das Braunbier hergestellt wurde. Schäfer erklärte auch warum: »Nur bei diesen Temperaturen erhält unser Bier seinen weinsäuerlichen Geschmack. Und außerdem«, fügte er lachend hinzu, könnten wir das normale, ordinäre Braunbier jetzt im Sommer gar nicht vergären und lagern.«
Das erklärte zumindest zum Teil den Erfolg dieser Weizenbiere. Ähnlich wie in Bayern. Ulrich lernte, dass Schäfer die verschiedenen Würzegüsse, aus denen meist auch unterschiedliche Biere hergestellt wurden, alle zusammenführte und ein Bier daraus machte. Dennoch hatte er verschiedene Namen für die Güsse: »Der erste heißt Wert, der zweite und dritte sind die Nachgüsse, der vierte ist der Kofent.«
»Kofent hat mein Lehrherr das dünnste Bier genannt«, erzählte Ulrich.
»Das ist auch richtig, schon früher in den Klöstern hieß das einfache Bier für die armen Leute so. Wir machen nur etwas anderes daraus, bei uns ist es ein Teil vom Duckstein.« Schäfer war eine Fundgrube des Wissens, aber auch der Anekdoten für Ulrich. »Der Duckstein muss immer frisch getrunken werden, am besten sollte er nur zwei oder drei Tage alt sein. Und er ist besonders gut für Gelehrte und Studenten geeignet. Denn er hilft gegen die Verstopfungen, die beim langen Sitzen entstehen.«
In Königslutter sah er auch zum ersten Mal, wie Bier wirklich verfeinert wurde, nicht nur als Zutat zur Biersuppe oder zum Brei: Die feinen Damen der Gesellschaft nahmen das Duckstein-Bier gern als Kaltschale mit Zitronenschale und Brot.
Vier Tage waren schnell vorbei und Schäfer drängte Ulrich zu gehen. »Der Nächste steht schon vor der Tür und wartet.«
Ulrich dankte von Herzen und ließ, trotz der freundlichen Aufnahme, Königslutter enttäuscht und desillusioniert hinter sich.
Warum es nicht auch in Braunschweig versuchen? Ein Fußmarsch von nur wenigen Stunden und er stand vor dem Stadttor. Er fragte die Stadtwache nach einem Brauhaus und wurde zum ›Haus zur Hanse‹ in der Güldenstraße verwiesen. Dort braute der Bürgermeister und Kriegshauptmann der Stadt Braunschweig, Zacharias Boiling, seit 1627 Bier. Zur Legende wurde er, als er im Großen Krieg mit einigen Fässern seines Biers den Abzug der Schweden und das Ende ihrer Belagerung erwirkt hatte. Dadurch war Braunschweig weitgehend unbehelligt geblieben.
Indes, Boiling war auf Reisen und wurde nicht innerhalb der nächsten drei Wochen zurückerwartet. Seine Frau, die ehemalige Witwe Haberland, die sowohl das Haus zur Hanse wie auch die Braugerechtsame, das Braurecht, in die Ehe eingebracht hatte, schickte Ulrich höflich, aber bestimmt fort. »Wir brauchen niemanden, es gibt mehr Brauerburschen als Malz. Hier und in den anderen Brauhäusern der Stadt. Da wir nicht mehr für die Hanse brauen, genügen wir uns selbst.«
Eine kräftige Mahlzeit gab es für ihn, dann war er wieder unterwegs.
Einen Ort wollte er aber noch aufsuchen: Gardelegen, zwei bis drei Tagereisen östlich. Sollte es auch in dieser alten Braustadt keine Arbeit für ihn geben, würde er wieder Richtung Westen ziehen. Es war bereits August, in wenigen Wochen würde die Brausaison beginnen. Bis dahin wollte er unbedingt in Lohn und Brot sein. Vielleicht nach Münster, der Stadt, die durch den Westfälischen Frieden so berühmt geworden war? Unterwegs waren ihm immer wieder Geschichten erzählt worden, darunter auch die, dass die Brauhäuser Münsters während der langen Verhandlungen gar nicht genügend Bier hatten herstellen können. Die Diplomaten hatten mehr gesoffen, als Getreide zur Verfügung gestanden hatte. Ja, vielleicht wäre Münster wirklich interessant. Und der Keut, das berühmte Bier aus Münster, hatte einen guten Ruf. Als preiswertestes unter den guten Bieren, obwohl es Anteile des teuren Weizens enthielt. Als Brauer den Keut brauen zu können, wäre sicher so schlecht nicht.
Am zweiten Abend nach Braunschweig machte er Rast in Weferlingen, einem kleinen Flecken inmitten der Magdeburger Börde, idyllisch an der Aller gelegen. Zahlreiche Wassermühlen, die am Fluss entlang vor sich hin klapperten, zeugten davon, dass es hier zumindest Getreide gab. Weferlingen bestand aus einem kleinen Dorf mit einigen Dutzend Häusern sowie einem Schloss in einer Flussschleife der Aller, das wahrhaftig schon bessere Zeiten gesehen hatte. Eigentlich gehörte Weferlingen dem Bischof von Halberstadt, war aber, als Lohn für treue Kriegsdienste, nach Kriegsende
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