Der Fluch des Florentiners
Gregor klar zu werden. Stattdessen kam nun diese Einladung! Mit zitternden Händen drückte sie die Taste zum Abfragen ihrer Mailbox. Schon die Nummernansage ließ sie erahnen, dass das Verwirrspiel noch kein Ende gefunden hatte. Es war die Nummer ihres Freundes Peter. Der Lärm in der Ankunftshalle war fast unerträglich und machte sie unendlic h n ervös. Mit der linken Hand hielt sie sich das Ohr zu, während sie der Nachricht ihres Freundes lauschte. Peter schien sehr aufgeregt zu sein.
» Hallo, Marie-Claire. Ich würde vorschlagen, dass wir uns nach deiner Rückkehr aus Berlin sofort treffen. Du musst mir reinen Wein einschenken, weshalb du dich für diesen Diamanten interessierst. Komische Dinge passieren hier! Kaum warst du weg, da habe ich erfahren, dass sich vor einigen Wochen ein Mann für das Originalmanuskript dieses Buches Vitrine XIII interessiert hat. Es war ein Österreicher mit Namen Freiling oder so ähnlich! Und ob du es nun glaubst oder nicht, vor einer halben Stunde ging hier ein Fax aus Marokko ein. Da will ein Araber nach Wien kommen und mit dem Verlag über die Einsichtnahme oder gar den Kauf dieses Originalmanuskripts sprechen. Schreibt irgendwas von einer Organisation für die Rückführung arabischer Kulturgüter. Komische Sache! Sehr komisch! Das, meine liebe Marie-Claire, ist mir ein bisschen zu viel der Zufälle! Also, melde dich und sag mir, wann wir uns treffen können. Bussi. «
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Der Wintergarten im Erdgeschoss des Grand Hotel Esplanade in Berlin war am späten Abend bis auf den letzten Platz gefüllt. Die Stimmung unter den Gästen des Auktionshauses Christie ’ s war ungewöhnlich gut und ausgesprochen locker. Die Idee ihrer Berliner Kollegin Viktoria, die Veranstaltung nicht wie üblich in einem der kleinen Konferenzräume, sondern auf der MS Esplanade, dem Schiff des Hotels, durchzuführen, war ein riesiger Erfolg gewesen. Mehr als einhundert Gäste waren der Einladung von Christie ’ s in Berlin gefolgt.
Das Interesse an diesem Vortrag über berühmte Edelsteine im Schmuck der preußischen Könige war groß. Selbst aus Hamburg waren gut ein Dutzend Gäste angereist. Ihre Kollegin Martina, Deputy Chairman der Hamburger Niederlassung, war mächtig stolz gewesen, dass sie die renommierten Hamburger Kunden nach Berlin hatte einladen können. Ja, Viktorias Idee war grandios gewesen. Statt in der zumeist sterilen Atmosphäre eines Konferenzsaals zu tagen, hatte man das Ganze auf dieses sehr stilvolle Schiff verlegt. Vielen Gästen war anzumerken, dass sie die maritime Seite Berlins noch nicht kannten. Die anfänglichen Befürchtungen, das Konzentrationsvermögen der Zuhörer würde unter den draußen vorbeigleitenden Sehenswürdigkeiten leiden, hatten sich schnell gelegt. Begeistert folgte man dem mit Dias unterlegten Vortrag. Nicht nur Marie-Claire war sich im Klaren darüber, dass dies ohne Frage auf die Geschehnisse in Bayern und Florenz zurückzuführen war. Schließlich hatte der in Bayern auf Schloss Hohenstein geraubte Kleine Sancy zu den berühmten Edelsteinen im Besitz preußischer Könige gehört. Ja, sie war sich sicher, dass diese dramatischen Geschehnisse maßgeblich zum Erfolg dieses Abend beigetragen hatten. Einige der Zuhörer schienen geradezu darauf zu warten, dass sie auf den Kleinen Sancy zu sprechen kam. Dafür aber hatte sie sich Zeit gelassen. Nach der Abfahrt an der vis-à-vis des Hotels gelegenen Landungsbrücke hatte sich das Tagungs- und Restaurantschiff zu einer Fahrt durch die Berliner und Brandenburger Kanäle, über Flüsse und kleine Seen aufgemacht. Man war auf dem Landwehrkanal Richtung Tiergarten und Berliner Zoo geschippert. Unter der Charlottenburger Brücke hindurch auf der Spree waren sie an Schloss Bellevue, vorbei am Bundeskanzleramt, dem Reichstagsgebäude, der Museumsinsel hi n z um Berliner Dom gefahren. Berlin bei Nacht an Bord eines Schiffes, dazu der exzellente Service und ein hervorragender Vortrag, ja, es war ein perfekter Abend gewesen. Und das Wetter hatte ebenfalls mitgespielt. Es war zwar empfindlich kühl, aber in den Pausen konnten die Gäste an Deck Luft schnappen und die Skyline von Berlin bei Nacht genießen.
M arie-Claire hatte ihre Zuhörer kurzweilig, nicht zu detailliert und angereichert mit allerlei kleinen Geschichten begeistert. Sie konnte in den Gesichtern der gebannt lauschenden Gäste genau ablesen, wo deren Interesse angesiedelt war. Als sie erzählte, dass von der einst mit einhundertzehn Diamanten,
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