Der Fluch des Khan
sie mit gut hundertdreißig Stundenkilometern bergab donnerten. Endlich ließ Pitt auch die Hinterradbremse los, die er unwillkürlich angezogen hatte, seit sie über den Felssims gesprungen waren, da ihm klar wurde, dass ihre rasende Fahrt dadurch kaum langsamer wurde.
Nach einigen Sekunden ließ das Gefälle etwas nach. Der Hang war zwar nach wie vor steil, sie hatten aber wenigstens nicht mehr das Gefühl, im freien Fall den Berg hinabzustürzen.
Zudem bekam Pitt die Maschine allmählich besser in den Griff und konnte hin und wieder sogar Büschen und Felsbrocken ausweichen. An einer tiefen Querrinne allerdings wären die beiden Männer fast abgeworfen worden, fingen sich jedoch wieder, noch ehe die Maschine landete. Pitt hatte das Gefühl, als würden ihm bei jedem Sprung die Nieren zermalmt, denn die straffe Federung und der harte Ledersitz fingen die heftigen Schläge kaum ab.
Mehrmals brach das Motorrad nach links oder rechts aus und drohte umzukippen, aber jedes Mal steuerte Pitt dagegen, um die Maschine aufrecht zu halten, während Giordino ihn durch ständige Gewichtsverlagerung unterstützte. Jedem Hindernis konnte Pitt jedoch nicht ausweichen, und ein paar Mal donnerte der Seitenwagen über kleinere Felsbrocken, sodass die stromlinienförmige Nase nach kurzer Zeit aussah, als wäre sie mit einem Vorschlaghammer traktiert worden.
Allmählich aber flachte sich der Hang ab, und nur noch vereinzelte Felsen, Büsche und Bäume standen ihnen im Weg, bis sie schließlich auf trockenes Gras stießen. Jetzt, da das Terrain immer ebener wurde, musste Pitt sogar Gas geben, um die Geschwindigkeit zu halten. Der Wind allerdings war so heftig wie eh und je und blies ihm genau ins Gesicht. Zudem wirbelte er noch immer dichte Staubwolken auf, in denen die Sicht auf wenige Meter beschränkt war.
»Werden wir noch verfolgt?«, schrie Pitt.
Giordino nickte. Er hatte alle paar Sekunden einen kurzen Blick nach hinten geworfen und bemerkt, wie die ersten Reiter den Berg herabstiegen. Jetzt lagen die Verfolger zwar weit zurück und waren längst im Staub verschwunden, doch er wusste auch, dass die Jagd gerade erst begonnen hatte.
Pitt war sich darüber ebenfalls im Klaren. Solange das alte Motorrad durchhielt, konnten sie ihren Vorsprung auf die Verfolger halten. Aber irgendwann mussten sie die Reiter abschütteln, und Pitt konnte nur hoffen, dass der Wind ihre Spuren verwischte. Tatsache aber war, dass ihr Leben von einer alten Maschine abhing, deren Spritreserve begrenzt war.
Pitt dachte darüber nach, was er über das tschechische Motorrad wusste. Die Jawa stammte ursprünglich noch aus der Vorkriegszeit und kam aus einer Fabrik, die Handgranaten und andere Kriegswaffen hergestellt hatte. Die nach dem Krieg gebauten Jawas, bekannt für ihren leichten, aber leistungsstarken Motor, waren schnelle und technisch innovative Maschinen, die als zuverlässig und unverwüstlich galten, wenigstens bis das Werk verstaatlicht wurde. Obwohl es mit uraltem Sprit lief, schnurrte das Motorrad fast ohne einen Aussetzer dahin. Ich nehme alles, was du mir zu bieten hast, dachte Pitt, dem klar war, dass sie den Vorsprung auf die Reiter ausbauen mussten – je weiter, desto besser. Er biss die Zähne zusammen und blickte mit verkniffenen Augen in den wirbelnden Staub, gab mehr Gas und hielt den Lenker fest, als die alte Maschine ins wabernde Zwielicht röhrte.
25
R asch senkte sich die Dunkelheit über die weite, wogende Steppe. Hohe Wolken, die über dem Staub dahintrieben, verdeckten Mond und Sterne und tauchten das Grasland in tiefe Schwärze. Nur ab und zu blinkte ein winziger Lichtpunkt in den trockenen Schwaden auf, die über den Boden zogen, dann tauchte ein Scheinwerferstrahl auf, der im nächsten Moment wieder im Dunst verschwand. Gleichzeitig hallte das stete Röhren des Zweizylinder-Viertaktmotors über die weite Ebene, ohne auch nur einmal auszusetzen.
Das tschechische Motorrad bretterte durch das Meer aus Gras wie ein Jet Ski bei kabbeliger See. Die alte Maschine knarrte und ächzte bei jedem Sprung über Bodenwellen und Erdlöcher, raste aber nach wie vor wacker über die Hügellandschaft hinweg. Pitts Hand schmerzte vom ständigen Vollgasgeben, doch er war fest entschlossen, alles herauszuholen, was die Jawa hergab. Obwohl sie sich fernab aller Straßen befanden und der Seitenwagen immer wieder ins Schlingern geriet, donnerten sie mit fast achtzig Sachen durch das Grasland und holten mit jeder Meile, die sie vorankamen,
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