Der Fluch des Khan
Wissenschaftler besonders für dessen einzigartige Flora und Fauna interessierten. Geophysiker, Mikrobiologen und Umweltforscher aus aller Welt zogen hierher, um den See und sein klares Wasser zu untersuchen.
»Wieder auf Kurs«, rief Roy übers Deck. Zwanzig Minuten später erreichten sie das Südufer der Bucht und beendeten ihre Rastersuche. Bei der Betrachtung der Sonarbilder waren Theresa drei Anomalitäten am Seeboden aufgefallen, die eine weitere Untersuchung rechtfertigten.
»Damit wären wir mit dem Auftakt des heutigen Tagesprogramms fertig«, sagte Wofford. »Wohin geht’s jetzt?«
»Wir überqueren den See und wollen genau dorthin«, sagte Tatiana und tippte mit einem schlanken Finger auf die Karte.
»Fünfunddreißig Kilometer südöstlich von unserer derzeitigen Position.«
»Da können wir das Sonar gleich im Wasser lassen. Meiner Meinung nach schafft das Boot sowieso nicht mehr als Suchtempo, und wir können dabei gleich die Wassertiefe feststellen«, erklärte Theresa.
»Meinetwegen«, sagte Wofford, der sich aufs Deck setzte und die Beine auf die Reling legte. Beiläufig betrachtete er den Monitor des Sonargeräts, doch auf einmal blickte er verwundert auf. »Das ist sonderbar«, murmelte er.
Roy beugte sich vor und musterte ebenfalls den Monitor. Das schattenhafte Bild des Seegrunds war plötzlich verändert, ein Schwall von Zackenlinien lief über den Bildschirm.
»Hat der Schleppaal Bodenberührung?«, fragte er.
»Nein«, erwiderte Wofford mit einem kurzen Blick auf die Tiefenanzeige. »Er ist vierzig Meter über dem Seegrund.«
Die Störung hielt ein paar Sekunden lang an, dann hörte sie ebenso abrupt auf, wie sie angefangen hatte. Klar und deutlich liefen nun wieder die Konturen des Seebodens über den Bildschirm.
»Vielleicht wollte sich einer von diesen Riesenstören einen Happen von unserem Schleppaal schnappen«, flachste Wofford, der erleichtert war, dass das Gerät wieder funktionierte. Doch kaum hatte er ausgesprochen, als ein tiefes Grollen über das Wasser hallte.
Viel länger und tiefer als ein Donnerschlag, ein sonderbar gedämpfter Klang. Fast eine halbe Minute lang hallte er wie ein absonderliches Gemurmel über den See. Alle an Bord blickten nach Norden, dorthin, wo das Geräusch herkam, aber nirgendwo war etwas zu sehen, das es hätte auslösen können.
»Irgendwelche Bauarbeiten?«, fragte Theresa.
»Möglicherweise«, erwiderte Roy. »Muss aber weit entfernt sein.«
Er warf einen Blick auf den Monitor und bemerkte einen kurzen Lärmausschlag, der das Bild leicht verzerrte, dann tauchten die klaren Umrisse des Seebodens wieder auf.
»Ganz egal, was das ist«, versetzte Wofford mit grimmiger Miene, »aber es soll aufhören, sonst ruiniert es unser Gerät.«
2
Z ehn Meilen weiter nördlich ging Rudi Gunn auf die Brückennock des grauen russischen Forschungsschiffes
Wereschtschagin
und blickte zum azurblauen Himmel auf. Er nahm die dicke Hornbrille ab und putzte sorgfältig die Gläser, setzte sie dann wieder auf und blickte erneut nach oben. Kopfschüttelnd kehrte er auf die Brücke zurück und murmelte:
»Klingt wie Donner, aber am Himmel ist kaum eine Wolke zu sehen.«
Daraufhin schlug ihm von einem korpulenten Mann mit schwarzem Haar und entsprechendem Bart schallendes Gelächter entgegen. Dr. Alexander Sarchow wirkte so groß und mächtig wie ein Tanzbär, hatte aber eine ungemein joviale Ausstrahlung und dunkle Augen, die vor Lebenslust funkelten.
Der Geophysiker vom Limnologischen Institut der Russischen Akademie der Wissenschaften amüsierte sich von Herzen gern, vor allem auf Kosten seiner neuen Freunde aus Amerika.
»Ihr Westler seid zum Kaputtlachen«, gluckste er mit schwerem Akzent.
»Alexander, mit Rudi müssen Sie nachsichtig sein«, mischte sich eine tiefe Stimme von der anderen Seite der Brücke ein. »Er hat noch nie in einem Erdbebengebiet gelebt.«
Auch Dirk Pitts leuchtend grüne Augen funkelten vergnügt, als er sich über seinen Stellvertreter lustig machte. Der Leiter der National Underwater & Marine Agency stand vor einer Reihe von Monitoren, reckte sich auf seine vollen ein Meter neunzig und drückte die Handteller an die Decke. Zwei Jahrzehnte voller Abenteuer über und unter Wasser hatten seinem Körper zwar ihren Tribut abverlangt, doch war er nach wie vor schlank und durchtrainiert. Lediglich ein paar Falten um die Augen und die zusehends grauer werdenden Haare an den Schläfen kündeten vom Kampf mit dem Alter.
»Ein
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