Der Fluch des Khan
Ihnen zu verdanken haben«, erwiderte Theresa lachend. Dann trank sie einen Schluck, verzog das Gesicht und riss die Augen auf.
»Was ist das?«, krächzte sie. »Das schmeckt ja wie Bleichmittel.«
Sarchow lachte laut auf. »Das ist Samogon. Ich habe ihn bei einem alten Freund in der Ortschaft gekauft. Ich glaube, in Amerika gibt es so was Ähnliches. Den Selbstgebrannten.«
Der ganze Tisch lachte, als Theresa das halbvolle Glas wegstieß. »Ich glaube, ich bleibe lieber bei Wodka«, sagte sie, grinste jetzt aber genauso wie alle anderen.
»Verraten Sie mir mal, was zwei hinreißende junge Damen zur Ölsuche an den großen, bösen Baikalsee führt?«, fragte Pitt, nachdem er sein Glas geleert hatte.
»Das Avarga Oil Consortium besitzt Öl- und Bergbaurechte in den Gebieten östlich des Sees«, erwiderte Tatiana.
»Der Baikalsee gilt als kulturelle Kostbarkeit. Er wurde von den Vereinten Nationen zum Weltnaturerbe erklärt und ist eine Ikone für Umweltschützer in aller Welt«, sagte Sarchow, der sichtlich ungehalten über die Vorstellung war, auf dem reinen Wasser des Sees könnte eine Bohrinsel errichtet werden. »Wie können Sie denn erwarten, dass man Sie auf dem See fördern lässt?«
Tatiana nickte. »Sie haben ganz recht. Wir achten den Baikal als heiliges Gewässer und würden niemals Förderanlagen auf dem See errichten. Falls Ölvorkommen nachgewiesen und für ausbeutungswürdig befunden werden sollten, würden wir sie vom Ostufer aus schräg unter dem See hindurch anbohren.«
»Durchaus sinnvoll«, stellte Giordino fest. »Im Golf von Mexiko werden ständig schräge Bohrungen vorgenommen, sogar horizontale. Aber das erklärt noch nicht, was diesen bezaubernden holländischen Engel aus Rotterdam hierhergeführt hat«, fügte er hinzu und schenkte Theresa ein breites Lächeln.
Theresa, sichtlich geschmeichelt, lief dunkelrot an, bevor sie antwortete. »Amsterdam. Eigentlich komme ich aus Amsterdam.
Meine betrunkenen amerikanischen Kollegen und ich arbeiten für Shell.« Dabei deutete sie mit dem Daumen in die andere Ecke, wo Roy und Wofford lauthals schmutzige Witze mit ihrem russischen Gefährten austauschten.
»Wir sind auf Bitten von Avarga Oil hier«, fuhr sie fort. »Sie haben nicht die nötige Ausrüstung für die Gewässererkundung, und zwar aus ersichtlichen Gründen. Meine Firma hat solche Arbeiten schon im Baltikum und auf dem westsibirischen Ölfeld von Samotlor durchgeführt. Wir erkunden gemeinsam mit Avarga Oil Fördermöglichkeiten in einigen Gebieten der Region, die vielversprechend erscheinen. Für uns bot es sich einfach an, eine Exploration des Sees vorzunehmen.«
»Haben Sie Erdölvorkommen gefunden, bevor die Welle zuschlug?«, fragte Pitt.
»Wir halten Ausschau nach Hinweisen auf Kohlenwasserstoff-Aussickerungen, haben aber nicht die nötigen seismischen Geräte zum Feststellen möglicher Vorkommen. Nein, als wir das Boot verloren, hatten wir noch keine typischen Anzeichen für eine Aussickerung entdeckt.«
»Ölaussickerungen?«, fragte Sarchow.
»Ja, ein weit verbreitetes, wenn auch etwas primitives Mittel, um Erdölvorkommen festzustellen. Im Meer erkennt man Ölvorkommen anhand von Aussickerungen am Grund, die zur Wasseroberfläche aufsteigen. Als man noch nicht über Schwingermaschinen und andere seismische Hilfsmittel zum Erkunden des Tiefengesteins verfügte, wurden Kohlenwasserstoffvorkommen hauptsächlich anhand von Ölaussickerungen entdeckt.«
»Fischer haben uns von Öllachen auf dem See berichtet, auch an Stellen, wo keine Schiffe verkehren«, erklärte Tatiana. »Wir sind uns natürlich darüber im Klaren, dass es sich um Aussickerungen aus kleinen Vorkommen handeln könnte, deren Ausbeutung sich nicht lohnt.«
»Möglicherweise ein kostspieliges Unternehmen, wenn man bedenkt, wie tief der See ist«, wandte Pitt ein.
»Apropos Unternehmen, Mr. Pitt. Was machen Sie und Ihre Kollegen von der NUMA eigentlich an Bord eines russischen Forschungsschiffes?«, fragte Tatiana.
»Wir sind Gäste von Alexander und dem Limnologischen Institut«, erwiderte Pitt und deutete mit seinem Samogon-Glas auf Sarchow. »Ein Gemeinschaftsunternehmen zur Untersuchung der Strömungsverhältnisse im See und ihrer Auswirkungen auf die einheimische Flora und Fauna.«
»Und wie wurden Sie auf die Seiche-Welle aufmerksam, so lange bevor sie auftauchte?«
»Durch Messsonden. Wir haben Hunderte schwimmender Sensoren im See ausgesetzt, die die Wassertemperatur, die Druckverhältnisse
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