Der Fluch des Khan
Tür.«
Rasch gingen sie zum Ende des Korridors, wo sie schließlich auf eine Tür stießen, die nach draußen führte. Theresa zog sie vorsichtig auf, rechnete fast damit, dass sie einen Alarm auslöste, aber alles blieb ruhig. Gemeinsam schlichen sie auf den Innenhof, der nur stellenweise von ein paar vereinzelten Lampen entlang des Fußwegs erleuchtet wurde. Theresa schlüpfte wieder in ihre Schuhe, kaum dass sie die Füße auf den kalten Boden gesetzt hatte. Die Nachtluft war frisch, und sie bibberte, als der eisige Wind durch ihre leichte Kleidung drang.
Sie folgten dem mit Feldsteinen belegten Fußweg, der quer über den Hof zu einem steinernen Gebäude an der Rückseite des Grundstücks führte. Es wirkte wie eine kleine Kapelle, war allerdings rund und hatte ein Kuppeldach. Außerdem musste es allem Anschein nach uralt sein und auch nicht aus Marmor, so wie das Hauptgebäude. Als sie näher kamen, ließ Roy den tunnelartigen Zugang links liegen und lief entlang der runden Mauer zur Rückseite.
»Ich glaube, ich habe da hinten ein Fahrzeug gesehen«, flüsterte er Theresa zu, die ihm auf den Fersen folgte.
Hinter dem Gemäuer stießen sie auf eine Art Lagerschuppen, der von einer niedrigen Lattenwand umgeben war. Vermutlich war es einst ein Stall gewesen, aber jetzt standen dort dicht an dicht ein halbes Dutzend Pferdewagen, auf deren hölzernen Ladeflächen sich Schaufel, Pickel und Kisten stapelten. Unter einer Segeltuchplane ragte das Vorderrad eines staubigen Motorrads hervor, Roy aber musterte bereits das Auto weiter hinten, das er vom Hof aus gesehen hatte. Es war ein mächtiges altes Ungetüm, mit dem Staub vieler Jahrzehnte auf dem Buckel – und mindestens drei platten Reifen.
»Hier ist gar nichts. Jedenfalls nichts, mit dem wir nach Ulan-Bator kommen könnten«, bemerkte Theresa enttäuscht.
Roy nickte. »Dann müssen wir uns die Garage auf der anderen Seite vornehmen.« Er erstarrte plötzlich, als der Wind einen schrillen Laut herantrug.
Pferdegewieher, stellte er fest, nicht weit vom Innenhof entfernt.
»Hinter den Wagen«, flüsterte er und deutete auf den Schuppen.
Sie warfen sich zu Boden, robbten unter der Lattenwand hindurch und unter den nächsten Wagen, gingen dann hinter einem der altmodischen Holzräder in Deckung und spähten vorsichtig zwischen den Speichen hindurch.
Kurz darauf hörten sie auf dem Feldsteinweg Hufgeklapper, dann tauchten zwei Reiter auf. Sie umkreisten das steinerne Gebäude, trabten neben den Schuppen und hielten an. Theresa wäre beinahe das Herz stehen geblieben, als sie die beiden Männer sah. Sie waren fast genauso gekleidet wie der Krieger auf dem Porträt. Golden schimmerten ihre orangenen Seidenumhänge im Schein der Hoflichter. Dazu trugen sie bauschige Hosen, dick besohlte Stiefel und einen runden Eisenhelm. Die beiden Männer trieben sich ein paar Minuten lang draußen herum, nur wenige Schritte von Theresas und Roys Versteck entfernt. Sie waren schon so nahe, dass Theresa den Staub schmecken konnte, den die Pferde aufwirbelten, wenn sie mit den Hufen scharrten.
Einer der Männer rief irgendetwas Unverständliches, dann sprengten beide davon. Im nächsten Augenblick waren die Männer in der Dunkelheit verschwunden.
»Die Nachtwache«, erklärte Roy, als der Hufschlag verklang.
»Ein bisschen zu nah für meinen Geschmack«, sagte Theresa, stand auf und klopfte sich den Staub von den Kleidern.
»Vermutlich haben wir nicht viel Zeit, bis sie die nächste Runde drehen. Sehen wir zu, ob wir das Haus auf der anderen Seite umgehen und von dort zur Garage kommen können.«
»Okay. Beeilen wir uns. Diesen Typen möchte ich nicht noch mal begegnen.«
Sie rannten durch das Schuppentor und liefen auf den Gästeflügel des Gebäudes zu. Doch mitten auf dem Innenhof hörten sie einen schrillen Schrei und den Hufschlag galoppierender Pferde. Sie blickten sich um und sahen zu ihrem Entsetzen, dass die Pferde nur noch wenige Meter hinter ihnen waren. Die beiden Reiter hatten das alte Gemäuer noch einmal lautlos umrundet und waren losgeprescht, als sie Theresa und Roy über den Hof rennen sahen.
Die beiden blieben wie erstarrt stehen, wussten nicht, ob sie zum Haus laufen oder vom Hof flüchten sollten. Es spielte auch keine Rolle, da die Reiter bereits am Rand des Hofs waren und sie deutlich erkennen konnten. Theresa sah, wie sich eins der Pferde aufbäumte, als der Reiter jäh die Zügel anzog, um es zum Stehen zu bringen. Der andere galoppierte weiter
Weitere Kostenlose Bücher